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Spiel der Angst (German Edition)

Spiel der Angst (German Edition)

Titel: Spiel der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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der Palast, der besagte Turm von Babylon sowie der Baal-Tempel erhoben. Direkt im Bildzentrum stand der Prophet Daniel, der dem weiter rechts stehenden König die Inschrift übersetzte, die das Ende seines Königreichs ankündigte. Dem König, der noch in derselben Nacht ermordet werden sollte.
    Emily verweilte still vor dem Bild und ließ die düstere Ästhetik auf sich wirken.
    Dann kam die SMS.
    GUT GEMACHT.
    War es wirklich gut, dachte sie. Gut für sie?
    Der König wird noch in derselben Nacht ermordet, sagte die Stimme in ihrem Kopf. Vielleicht ist er nicht der Einzige, der in dieser Nacht ermordet werden wird?
    In diesem Moment spürte sie den Ruck.
    Und dann war ihre Handtasche verschwunden.

49
    »Halt!«, schrie sie.
    Der Mann mit dem Kapuzenpullover und der Schirmmütze rannte den Gang hinunter.
    »Julia«, rief Emily. »Der Typ hat meine Handtasche!«
    Julia, die vorher noch versunken auf ein Gemälde geschaut hatte, war sofort hellwach. »Der kann was erleben!«
    Sie rannten hinter dem Mann her, rempelten andere Besucher an.
    »Das hier ist ein Museum, meine Damen«, rief ihnen eine der Wachen zu.
    Der hatte gut reden. Sie wussten sehr wohl, dass dies ein Museum war.
    Sie wussten aber auch, dass gerade jemand Emilys Handtasche gestohlen hatte. Ob das wohl auch wieder mit Jonathan zusammenhing?
    Andere Frage, dachte Emily, was hängt denn nicht mit ihm zusammen?
    Der Mann wartete oben an einer Treppe und hielt die Tasche wie eine Trophäe vor sich. So als sollte Emily sehen, was er ihr weggenommen hat. Oder, als wollte er, dass Emily ihn in dem Gedränge nicht verlor? Aber warum?
    »Da ist der Mistkerl«, knurrte Julia, »dem schneiden wir die Eier ab!«
    Sie spurteten die Treppe hinauf.
    Eine riesige Halle. Licht von allen Seiten. Und ein großes Tor, das nach draußen führte.
    Skulpturengarten, stand auf dem Tor.
    Der Mann sprang durch das Tor hindurch. Er hatte eine Art, sich zu bewegen, die ans Artistenhafte grenzte.
    Sie sprinteten beide hinterher durch das Tor.
    Moderne Skulpturen und auch einige antike Statuen standen links und rechts von ihnen zwischen Palmen und Sträuchern. Emily hatte gelesen, dass die Skulpturen dort jährlich ausgewechselt wurden. Einige der Gäste waren hier nach draußen gegangen, um im Roof Garden Café einen Latte macchiato oder eine Cola Light zu trinken oder um die Aussicht zu genießen.
    Der Skulpturengarten war weniger ein Garten als mehr ein riesiger Balkon im ersten Stock des Metropolitan Museum. Der Mann grinste Emily und Julia an. Gleich hatten sie ihn erreicht. Dann sollte er sie kennenlernen.
    Da stieg er auf die Balustrade. Und legte die Handtasche vor die Absperrung. Wie ein Geschenk. Er machte, immer noch auf der Balustrade, eine elegante Verbeugung, grinste noch einmal – und sprang.
    Emily und Julia rannten zur Brüstung.
    Der Mann hatte einen eleganten Salto vollführt, während er sprang. Er landete drei Meter weiter unten auf dem Dach, rollte sich ab und stand auf. Dann noch einen Sprung, noch einmal abrollen. Dann noch einen Sprung. Und er war unten.
    Wahnsinn. Aus dem fünften Stock mit zwei Sprüngen. Parcour, dachte Emily. Einer von diesen unglaublichen Typen, die, als würde die Schwerkraft für sie nicht gelten, in Städten über alle möglichen Hindernisse sprangen, irgendwo heraufkletterten, scheinbar die Mauern heraufliefen und ebenso schnell und elegant wieder herunterkamen.
    Der Mann winkte Emily zu und verschwand dann mit federnden Schritten außer Sichtweite im Central Park.
    Emily sah ihm nach. Wenn man so schnell vor Jonathan davonlaufen könnte, dachte sie. Dann könnte sie –
    »Em!« Die schneidende Stimme von Julia riss sie, wie schon so häufig, aus ihren Gedanken. »Hier!«
    Julia hielt ihr die Handtasche hin. »Willst du nicht nachsehen, ob er was geklaut hat?«
    Emily war ohnehin verdutzt gewesen, dass der Mann die Handtasche einfach so stehen gelassen hatte. Aber das, was sie schon geahnt hatte, schien immer mehr Wirklichkeit zu werden. Es ging nicht darum, ihr die Handtasche wegzunehmen, es ging darum …
    »Dein Portemonnaie ist noch da, Em«, sagte Julia und inspizierte die Handtasche, als sei sie bei der Polizei. »Dann haben wir hier noch dein Smartphone. Und dann hier …« Julia stockte kurz. »War das vorher schon drin?« Sie hob einen Umschlag in die Höhe. Feines Büttenpapier. Darauf, mit geschwungener Schrift in blauer Tinte, geschrieben.
    Emily Waters.
    Emily schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte sie. »Ich kann

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