Spiel der Angst (German Edition)
mir aber denken, von wem der kommt.«
»Nämlich?«
»Na, von wem wohl?«
»Jonathan?« Julia zog an den Kordeln ihres Kapuzenpullovers.
»Von wem sonst! Wir sollten ihn aufmachen.«
»Sei vorsichtig, Em. Vielleicht ist das eine Bombe. Oder …?«
Emily schüttelte den Kopf. »Nein, so tickt er nicht. Er würde uns hier nicht in die Luft sprengen – ohne jegliche Drohung vorher.« Sie roch an dem Umschlag. »Außerdem riechen Briefbomben nach Mandeln. Hat mein Vater mir mal erzählt. Der hier riecht nach …«
Julia schnüffelte ebenfalls. »Nach gar nichts.«
»Richtig. Also auf damit!«
»Willst du ihn nicht vorher der Polizei zeigen?«
Emily sah sie mit einem vernichtenden Blick an. »Hast du vergessen, was er gesagt hat? Was mit Ryan passiert, wenn wir uns zu oft bei der Polizei blicken lassen?« Sie zog eine Nagelfeile hervor, um den Umschlag damit zu öffnen. »Außerdem haben die Bullen uns hier bisher genauso wenig geholfen wie in London. Das Einzige, was sie bringen, sind blöde Ausreden.« Emily äffte Inspector Jones nach, den sie freundschaftlich Bob nennen durften. »Solange er ihnen nichts getan hat, ist Stalking nicht strafbar.« Sie schüttelte den Kopf. »Draußenrauchen ist verboten, Falschparken kostet hier fast zwanzig Dollar, aber gegen einen gemeingefährlichen Psychopathen kann keiner etwas ausrichten.« Sie schüttelte noch einmal den Kopf. »Genauso wie bei uns.«
Sie öffnete den Umschlag mit der Nagelfeile.
Darin ein ebenso schöner Brief. Auch Büttenpapier. Und die gleiche Schrift. Mit der gleichen blauen Tinte.
Fünf Sätze.
Irgendwie poetisch. Aber genauso rätselhaft.
Jetzt war es Emily endgültig klar.
Dieser Parcour-Typ war auch von Jonathan gesteuert. Wusste sie noch, wie er aussah? Nein.
Wusste sie noch, welche Haarfarbe er hatte? Nein.
Sie blickte Julia an. Die schien ihre Gedanken erraten zu haben und schüttelte den Kopf.
Sie las die fünf Sätze.
IHR HABT EINE KURZE PAUSE VERDIENT. DENKT WÄHRENDDESSEN ÜBER MEINE WORTE NACH: AUCH IN BABYLON WOLLTE MAN DEN HIMMEL EROBERN. MIT EINEM TURM, DER DEN HIMMEL VERDUNKELT.
GEHT AUCH IHR ZU DEM GEBÄUDE VON DENEN, DIE DEN HIMMEL VERDUNKELT HABEN. OBWOHL SIE IHN EROBERN WOLLTEN.
50
Sie saßen in dem Café des Skulpturengartens.
Eine Statue von Perseus mit dem Haupt der Medusa stand neben ihnen. Emily vermutete, dass es nur eine Kopie war und nicht das Original aus der Renaissance, von dem ihr ihre Mutter einmal erzählt hatte.
»Wer will den Himmel erschließen?«, fragte Emily und nippte an ihrem Latte macchiato.
»Die Babylonier«, sagte Julia. »Die haben doch diesen Turm gebaut.«
»Ja klar, aber es wird doch um irgendetwas gehen, was in letzter Zeit hier stattgefunden hat.«
»Hier in New York?«
»Wo sonst?«
Emily ging in Gedanken noch mal den Inhalt des Briefes durch.
Auch in Babylon wollte man den Himmel erobern. Mit einem Turm, der den Himmel verdunkelt.
Geht auch ihr zu dem Gebäude von denen, die den Himmel verdunkelt haben. Obwohl sie ihn erobern wollten.
»Vielleicht fällt Lisa ja etwas dazu ein?« Emily zog ihr Smartphone hervor.
»Die scheint ja alles zu wissen«, meinte Julia.
»Ich rufe sie mal an.«
Nach dreimal klingeln meldete sich Lisa. Sie war auf dem Weg zurück ins College.
»Wir haben hier mal wieder ein Problem«, sagte Emily. Julia hörte neugierig zu. »Ja, welche, die den Himmel erobern wollten, und ihn dann …«
»Was sagst du? Raumfahrt?« Emilys Augenbrauen hoben sich. »Das kann natürlich sein. Sie wandte den Blick zu Julia. »Gibt es irgendwas mit Raumfahrt in New York.«
Julia schnappte sich Emilys Smartphone, klickte durch ein paar Seiten.
Sie schüttelte den Kopf.
»Nichts zu finden.«
»Was könnte es noch sein?«, fragte Emily weiter. »Eine was? Eine Fluggesellschaft?«
Sie guckte Julia an, so als wollte sie sagen: Da hätten wir ja auch drauf kommen können.
»Aber Fluggesellschaften verdunkeln doch nicht den Himmel, es sei denn, sie haben so riesige Flugzeuge, dass –« Emily hörte weiter zu. »Okay, wir schauen einfach mal. Vielen Dank schon mal.«
Emily blickte Julia an. »Ein Flugzeug ist es wohl nicht, oder?«
Julia zuckte die Schultern. »Es verdunkelt den Himmel ja nicht immer. Flugzeuge bleiben schließlich nicht an einem Ort stehen. Anders als …«
»Als was?«
»Als Häuser zum Beispiel?«
»Kann das der Flughafen sein?« Hinter Emilys Stirn arbeitete es. »Der John F. Kennedy? Oder der La Guardia?«
»Aber Flughäfen sind doch gar
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