Spiel der Angst (German Edition)
sich um …« Blake schürzte die Lippen. »Es ist GHB.«
»Und das hat ihr da jemand rein getan? Als sie vielleicht gerade nicht am Platz war?«, schlussfolgerte Emily.
»Ja, irgendjemand hat ihr die K.-o.-Tropfen in den Kaffeebecher gekippt, vielleicht, als sie kurz auf Toilette war. Dann hat sie von dem Kaffee getrunken und war weg.«
Jones setzte ein gequältes Gesicht auf. »Das muss man sich mal vorstellen. In Clubs und Bars kann so etwas passieren. Man lässt seinen Drink eine Minute unbeaufsichtigt oder noch kürzer, und schon wird einem etwas hineingekippt, und das Nächste, was man feststellt, ist, dass man ohne Geld, Papiere und Kreditkarten irgendwo nass und dreckig in der Gosse landet. Aber in der Bibliothek einer Eliteuni?« Er verzog das Gesicht. »Nichts ist mehr heilig.«
»Und dann?« Emily wandte sich wieder an Blake.
»Dann hat ihr jemand die Tüte über den Kopf gestülpt. Es kam zu einer Rückatmung von Kohlendioxid in die Tüte, was zu einer sogenannten CO 2 -Narkose führt. Durch das Kohlendioxid und den Mangel an Sauerstoff schläfert man sich sozusagen selbst ein und stirbt an Sauerstoffmangel.« Er schaute zu Boden. »Sie hat aber davon wohl nichts mehr gemerkt.«
»Dann … Dann hat sie …«, stotterte Emily. »Dann war sie vielleicht bewusstlos und …«, sie rang nach Worten, »dann hat sie vielleicht von dem Ersticken …«
Irgendetwas in ihr wollte hören, dass Lisa, auch wenn sie tot war, nicht gelitten hatte, dass sie, so schlimm ihr Tod auch war, mehr oder weniger friedlich und schmerzlos ins Jenseits befördert worden war. Diese Bestie, dieser Irre konnte sie doch nicht töten und vorher auch noch quälen. Es reichte doch schon, wenn er Ryan hatte.
Blake nickte, jetzt mit einem gütigen Gesicht. Auch aus Jones Zügen war die Besorgnis etwas gewichen.
»Vollkommen richtig, junge Dame«, sagte Blake, »vom Ersticken hat sie gar nichts gemerkt. Dass ein Mensch in so jungen Jahren stirbt, ist eine große Tragödie. Immerhin hat sie dabei nicht gelitten.«
Emily merkte dennoch, wie ihr schwindelig wurde. Waren das noch die Restwirkungen ihres Nervenzusammenbruchs? Hatte der Irre jetzt wirklich gewonnen, indem er Emily so geschwächt hatte, dass sie nicht einmal die beschützen konnte, die sie liebte und die sie liebten? Lisa war tot, Ryan war entführt. Julia war … Nein, den Gedanken wollte sie nicht zu Ende denken. Und außerdem war Julia ja noch da. Sie mussten weitermachen, koste es, was es wolle. Sie beide. Emily und Julia. Jetzt erst recht.
Sie stand auf, versuchte, sich auf den Beinen zu halten. »Was ist mit ihren Eltern? Wissen die …«
Das Bild von Jones verschwamm vor Emilys Augen.
»Wir haben schon Kontakt aufgenommen. So etwas ist nie einfach. Schließlich …«
Dann sah Emily nur noch die schwarze Wolke vor sich.
Und dann gar nichts mehr.
57
War wohl doch alles ein bisschen viel für unsere kleine Ms Waters«, sagte er und schaute auf den jungen Mann, der gefesselt vor ihm saß. Durch das mehr als mannshohe Fenster war weit unten die Glitzerwelt des nächtlichen Manhattans zu sehen, während hier und da einzelne Flugzeuge wie Kometen von den Flughäfen JFK und La Guardia in den Himmel abhoben oder aus ihm herausbrachen, um zur Erde zurückzukehren.
Die Stadt, die niemals schläft, dachte er. Auf keine Stadt traf diese Bezeichnung besser zu als auf New York.
Das New Babylon.
»Meinst du, sie schafft es?« Er schaute Ryan erwartungsvoll an.
Der sagte nichts, blickte nur verbissen nach rechts und links. Vielleicht war er zu trotzig oder zu wütend, um irgendetwas von sich zu geben. Vielleicht hatte er auch nur Angst, das Falsche zu sagen. Möglich war beides.
»Hör zu«, sagte er zu Ryan, »ich erzähle dir eine Geschichte.«
»Erzähl dir doch einfach selbst, was du willst«, knurrte Ryan jetzt, »denn ich will es nicht hören.«
»Oh doch, du willst. Und zuhören musst du auch. Du kannst schließlich nicht anders.«
Er lief vor dem hohen Fenster auf und ab.
»Es gab einmal einen uralten, buddhistischen Mönch«, begann er, »der sich zum Sterben niederlegen wollte, um seinen Mitbrüdern nicht länger zur Last zu fallen. Es war Winter, irgendwo im fernen Osten vor langer, langer Zeit.« Er schaute Ryan an. »Was glaubst du, haben die anderen Mönche gesagt?« Er hob die Augenbrauen. »Wollten sie, dass er stirbt?«
Ryan zuckte die Schultern.
»Das wollten sie natürlich nicht.« Er ging weiter auf und ab. »Wir wollen dich hier behalten,
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