Spiel der Angst (German Edition)
kratzte sich an der Nase, »ich habe hier zwei junge Damen, die dringend ein paar Informationen zum Ableben ihrer Freundin wünschen. Das Ganze ist ein tragischer Fall. Ich hoffe, Sie verstehen, dass ich hier eine Ausnahme machen musste.«
Die Studenten drehten die Köpfe. Blakes Augen wurden hinter der riesigen Brille noch etwas größer, er wollte sich am Kopf kratzen, rief sich aber anscheinend in Erinnerung, dass er Gummihandschuhe trug, mit denen er vorher schon sonst was angefasst hatte, und führte die Hand wieder zurück. Er blickte zur großen Uhr über der Eingangstür. »Gott im Himmel, ist es schon so spät?« Er nickte zu sich selbst. »Ja, offenbar. Verzeihen Sie die Verzögerung.« Er wandte sich an die Studenten. »Dann entschuldigen Sie mich doch bitte einen Augenblick.«
»Folgendes ist geschehen«, fing Blake an, als sie sich in einen Nebenraum gesetzt hatten. Er hatte seine Handschuhe ausgezogen und in einen Mülleimer geworfen. Dennoch hätte Emily ihm nicht die Hand geben wollen.
»Sie ist an der Tüte erstickt?«, fragte Emily dazwischen.
»So ist es. Durch den Sauerstoffmangel hat ihr Gehirn nach und nach seine Funktion eingestellt. Es muss, kurz bevor Sie gekommen sind, passiert sein.«
»Also kurz bevor wir bei Lisas Platz in der Bibliothek waren, ist irgendjemand da gewesen und hat ihr die Tüte über den Kopf gestülpt?« Emily merkte, wie sie das Grauen erfasste.
»So muss es gewesen sein.« Blake nickte und schaute zu Jones auf, der mit verkniffenem Gesicht im Türrahmen stand.
Jones nickte. »Kurz nachdem Sie beide«, Jones wies auf Emily und Julia, »bei der toten Lisa angekommen waren, brach Ms Waters zusammen, und der Notarzt wurde gerufen. Der Todeszeitpunkt …« Er hob die Augenbrauen und wies mit dem Kopf auf Blake.
Der nahm den Ball wieder auf. »Der Todeszeitpunkt lag nach unseren Berechnungen etwa zehn Minuten vor Ihrem Eintreffen.« Er schaute beide an. »Ganz hundertprozentig können wir das nie berechnen, aber wir vermuten, dass dies ungefähr der Zeitpunkt war.«
Emily schüttelte den Kopf, und sie merkte, wie ihr schlecht wurde.
Zehn Minuten, bevor sie in der Bibliothek angekommen waren. Als sie und Julia im Taxi gesessen hatten, hatte Lisa mit dem Tode gekämpft. Und war elendig erstickt.
»Wieso hat das niemand mitbekommen?«, fragte Julia jetzt. »Es muss doch jemandem aufgefallen sein!«
»Sie waren doch selbst dort«, sagte Jones. »In der Ecke der Bibliothek war nicht viel los. Sie waren die Ersten, die Lisa entdeckt haben. Vielleicht hätten es sonst auch andere bemerkt.«
Perfektes Timing, dachte Emily, aber warum hatte sich Lisa nicht gewehrt?
»Warum lässt es sich jemand gefallen, dass ihm einfach jemand eine Tüte über den Kopf stülpt?« Die Frage hatte Emily schon die ganze Zeit auf der Seele gebrannt.
Blake machte ein betroffenes Gesicht. »Mit K.-o.-Tropfen lässt man sich so einiges gefallen.«
»K.-o.-Tropfen? Was für K.-o.-Tropfen?«, fragte Emily.
»Benzodiazepine«, antwortete Blake. »Sie kennen ja sicher Valium, das ist ein langwirksames Benzodiazepin. Es gibt aber auch die kurzwirksamen.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel GHB.«
»Was ist GHB?«
»GHB ist Gammahydroxybutansäure. In geringen Mengen, zum Beispiel mit Alkohol vermischt, kann es aufputschend wirken und wird oft auf Partys eingeworfen. In hohen Dosen allerdings wirkt es einschläfernd, narkotisch. Man nutzt es, um Leute wehr- und willenlos zu machen. Darum nennt man es auch Vergewaltigungsdroge.«
»Ich denke, das reicht!« Jones blickte Blake vorwurfsvoll an.
Blake rückte seine Brille zurecht. »Ich dachte, die junge Dame will alles wissen.«
»Will sie auch!«, sagte Emily. Auch wenn das, womit Blake sie konfrontierte, so schrecklich war, dass sie es kaum glauben konnte.
»Es kommt zum Kreislaufzusammenbruch, dann zu tiefem Schlaf«, fuhr Blake fort. »Manchmal auch zu Atemdepression. In jedem Fall wird man davon bewusstlos.«
»Und warum hat Lisa davon etwas genommen?«
»Man hat es ihr wohl in den Kaffee getan?«
Emilys Kopf zuckte nach oben. »In den Kaffee?« Kaffee hatte für Emily etwas Heimeliges, Schönes, aber sicher nichts, was einem den Tod brachte.
»Ja, in den Kaffee«, sagte Blake.
Flimmernd erschien der halbleere Kaffeebecher vor Emilys Augen, der neben Lisa gestanden hatte.
Kein Kaffee, der einen wach machte, sondern ein Kaffee, der einen ins Jenseits beförderte.
»Die Jungs von der Toxikologie haben den Inhalt geprüft. Es handelt
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