Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiel der Angst (German Edition)

Spiel der Angst (German Edition)

Titel: Spiel der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
Vom Netzwerk:
Hölle.
    Dann siegte die Erschöpfung. Und sie schlief wieder ein.
    ***
    Am späten Vormittag saßen sie zusammen in der Eingangslobby des St. Vincent Hospital.
    Es war Samstag, der Tag des Saturns, des sechsten Planeten. Der Planet, den die Babylonier feierten, wenn er nach dreißig Jahren die Sonne umrundet hatte. Dann war ein sogenanntes Jubeljahr angebrochen, es gab Feste, und den Armen wurden die Schulden erlassen.
    Doch ihnen war nicht zum Feiern zumute.
    Jones hatte sie vehement gedrängt, mehr Informationen zu dem Psychopathen preiszugeben. Aber was konnte sie ihm schon sagen? Sie wusste ja nicht, wo er war. Er konnte überall und nirgends sein. Und wo Ryan war, das wusste sie leider nur zu gut. Bei dem, der sie jagte. Den sie fürchtete. Und von dem sie dachte, er wäre in London gestorben.
    Sie hatte vorhin mit Dad telefoniert und ihm versichert, dass sie sich sofort bei ihm melden würde, wenn sich der Irre wieder meldete. Ihr Dad war zwar längst wieder unterwegs, aber sie war es ihm schuldig, ihn auf dem Laufenden zu halten. Auch wenn sie Angst davor hatte, dass er die Polizei rufen und dadurch Ryan in Gefahr bringen würde. Genau deswegen sträubte sich auch etwas in ihr, ihrem Vater alles zu sagen. Und deswegen hoffte sie auch, dass das Spiel jetzt irgendwann sein Ende nehmen würde. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
    Es war zwar kaum nachvollziehbar, aber irgendwie wartete sie auf ein Lebenszeichen des Psychopathen. Und nicht nur deswegen, weil damit auch ein Lebenszeichen von Ryan verbunden sein könnte, sondern auch, weil sie dann endlich wusste, wie es weitergehen würde.
    Sie schaute auf ihr Smartphone. Doch es klingelte nicht.
    Verdammt! Wenn man will, dass die Zeit vergeht, vergeht sie nicht. Wenn man vor Stress nicht weiß, wo einem der Kopf steht, geht alles rasend schnell.
    In dem Moment klingelte das Telefon.
    Nachdem es die ganze Zeit lauernd und still wie eine schwarze Kröte auf dem Tisch gehockt hatte, kam Emily das Klingeln noch viel lauter vor als gewöhnlich.
    Face your fears , pflegten die Engländer zu sagen. Sieh deiner Angst ins Gesicht. Während sie sich nach vorn beugte, ging sie all die Nummern durch, die infrage kämen. Die ihrer Eltern. Die von Lisas Eltern. Jones. Carter. Oder – anonym.
    Sie blickte aufs Display.
    Anonym.
    »Hallo, Emily«, begrüßte die Stimme sie. Und es war ihr, als würde Eiswasser durch ihren Körper fließen.
    Sie formte in Richtung Julia mit den Lippen ein Wort, das in etwa wie Er aussah. Julias Augen weiteten sich. Sie verstand sofort.
    »Du hast viel Zeit verloren«, sagte die Stimme. »Nicht nur Zeit …« Er machte eine bedeutungsvolle Pause. »Auch eine von deinen Wegbegleitern hast du verloren. Wir wollen doch einmal sehen, ob die Damen Emily und Julia auch ohne ihr Gehirn die ihnen aufgetragenen Rätsel lösen können. Darum hört gut zu!«
    Instinktiv griff Emily nach einem Zettel, der auf dem Tisch lag.
    »Was ist es?«, fragte die Stimme. »Es ist da, aber nicht hier. Je mehr man es hat, desto mehr will man davon. Man verliert es schneller, als man es bekommt. Ihr habt eine Minute.«
    Die Verbindung endete.
    »Verdammt, wir haben nur eine Minute«, zischte Emily und kritzelte ein paar Notizen auf den Zettel. Ihr Kopf fuhr hoch, und sie fixierte Julia. »Hast du mithören können?«
    »Nein, nur Rauschen, du hättest auf Laut stellen sollen.«
    »Hinterher ist man immer schlauer.« Sie las vor. »Was ist da, aber nicht hier?«
    Julia zuckte die Schultern. »Einiges. Was hat er noch gesagt?«
    Die Zeiger tickten umbarmherzig weiter. Die Sechs, dachte Emily. Sechzig Sekunden. Sechzig Minuten. Die Babylonier und die Sumerer …
    »Was hat er noch gesagt?« Julias Stimme war schneidend. »Em, ich denke, wir haben nicht viel Zeit.«
    »Irgendwas mit … Je mehr man hat, desto mehr will man.«
    »Trifft auf einiges zu. Luxus, Autos, Häuser, Macht, Männer …«
    »Julia!«
    Julia lächelte kurz.
    »Und man verliert es schneller, als man es bekommt.«
    »Kann auch Geld sein.«
    »Könnte. Aber auch alles mögliche andere.«
    »Moment!« Da fiel es Emily ein. Ein Spruch, den ihr Vater öfter sagte. Das Geld ist da, aber nicht hier. Das schien aus der Bankersprache zu stammen. Und der Irre bildete sich doch auch immer etwas auf seine Finanzkenntnisse ein. Das konnte unmöglich ein Zufall sein.
    »Doch«, sagte sie, »es ist Geld!«
    »Bist du sicher?«
    »Todsicher.«
    Julia nickte. »Na gut.«
    Das Handy klingelte.
    Emily

Weitere Kostenlose Bücher