Spiel der Dämmerung - Feehan, C: Spiel der Dämmerung - Mind Game (Ghost Walkers # 2)
Agent für den NCIS gearbeitet hat, deshalb lag die Vermutung nahe, dass du ebenfalls für ihn arbeitest. Deine Identität ist sehr viel undurchsichtiger als Calhouns.«
»Gut zu wissen.« Aber es bedeutete gleichzeitig, dass sie Recht hatte. Niemand hatte bisher ihre Identität aufgedeckt; sie hatten sie nur gefunden, weil jemand beim NCIS sie und Jesse verraten hatte. Und Jesse bezahlte diesen Verrat möglicherweise mit seinem Leben. Seufzend ließ Dahlia die Kristalle über ihren Fingern kreisen und konzentrierte sich sehr intensiv auf ihr Tun, damit die Energie, die aus ihren wirren Gefühlen resultierte, sich so schnell verbrauchte, wie sie sich aufbaute. »Ich leiste hauptsächlich Beschaffungsarbeit. Ich stehle Dinge, die der Regierung gehören. Wenn wir diese Dinge nicht auf anderen Wegen wiedererlangen oder höchste Geheimhaltung geboten ist, dann setzen sie mich ein.«
Ihr Herz tat weh. Es schmerzte richtig. Sie durfte nicht länger ihre Hand auf die Brust pressen. Sie bekam kaum noch Luft. Dahlia musste ihre gesamte Konzentration aufbieten, um vor dem Schattengänger normal aufzutreten, während die Energie, die in sie strömte und sich um sie herum aufbaute, zum zweiten Mal gefährliche Ausmaße anzunehmen drohte. Sie erinnerte sich, dass sie stundenlang auf dem Dach ihres Hauses gesessen und gegrübelt hatte, warum sie nicht so war wie alle anderen Menschen.
Dass sie nachts durch die Straßen gewandert und stehen geblieben war, um Müttern zuzuhören, die ihre Kinder in den Schlaf sangen. Eine Frau hatte ihre besondere Aufmerksamkeit erregt. Sie saß auf den Stufen vor ihrem Haus, wiegte ihr Kind im Arm und summte dazu leise. Dahlia war daraufhin nach Hause gegangen, hatte sich in ihre alte, zerschlissene Decke gehüllt, sich selbst dieses Lied vorgesummt und sich dabei hin und her gewiegt, um sich vielleicht einmal geliebt zu fühlen. Sie hasste Selbstmitleid, doch sie steckte gerade bis über beide Ohren drin und schaffte es nicht, sich aus dieser Gefühlsduselei wieder herauszuziehen.
»Lily freut sich schon so, dich kennenzulernen. Sie hat dir einen Brief geschrieben.«
Dahlia blickte kurz hoch. »Einen Brief? Lily?«
»Ja.« Kaden griff in seine Jackentasche und fischte einen kleinen, duftenden Umschlag heraus.
Dahlia starrte den Brief an und sog scharf die Luft ein. Die Handschrift war klein, ordentlich und sehr feminin. Ihr Herz machte einen Satz, und irgendwo in ihrer Magengegend spürte sie ein Stechen. Ihre Gefühle waren bereits mehr als wirr, und allein die Vorstellung, dass Kaden ihr einen Brief von Lily mitgebracht hatte, jagte ihr Angst ein. Kopfschüttelnd rappelte sie sich hoch und wich ein paar Schritte von Kaden zurück, ungeachtet der Gefahren, die dieses steile Dach mit sich brachte.
»Dahlia.« Kaden stand ebenfalls auf. »Es war nicht meine Absicht, dich aufzuregen«, sagte er rasch und richtete seinen Blick auf einen Punkt hinter ihrem Rücken, die einzige Warnung, die sie erhielt.
Nicolas’ kräftiger Körper presste sich fest an den ihren, und er schlang die Arme um sie, als er an ihr vorbei nach
dem Brief griff. »Ich nehme ihn. Du hast sie nicht aufgeregt, Kaden. Es ist der Energieschub. Dahlia braucht dringend Ruhe.«
»Dahlia, das hättest du mir sagen sollen«, erwiderte Kaden sofort. »Ich lasse euch beide jetzt allein, dann könnt ihr tun, was immer helfen mag, damit es dir wieder besser geht.«
Nicolas hielt Dahlia an sich gedrückt und umfasste sie sanft, so als hielte er einen Vogel. »Tu das nicht, Dahlia«, flüsterte er an ihrem Nacken, als Kaden vom Dach kletterte. »Bleib bei mir. Ich weiß, dass dir das schwerfällt, aber wir können einen Weg finden.«
»Wie denn?« Eigentlich wollte sie sich wütend geben, fühlte aber nichts als Verzweiflung. »Zum Teufel noch mal, Nicolas, ich hasse es, zu jammern und mich in Selbstmitleid zu ergehen. Das ist absolut sinnlos, ich weiß, aber ich schaffe das nicht. Ich kann mich nicht in der Nähe so vieler Menschen aufhalten, ohne mich zu überlasten. Wie um alles in der Welt bist du auf die Idee gekommen, dass das hier ein glückliches Ende nehmen könnte? Du wirst deinen Weg gehen müssen, aber ich werde nicht mitkommen. Und da ist noch Lily.« Ihre Stimme brach ab, und sie lehnte sich an ihn. »Ich will ihren Brief nicht lesen und sie auch gar nicht kennenlernen. Wirklich nicht. Ich kann nicht. Sie würde alles sein, was ich mir je von einer Schwester erhofft hatte, alles, woran ich mich erinnere, aber ich
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