Spiel der Dämmerung - Feehan, C: Spiel der Dämmerung - Mind Game (Ghost Walkers # 2)
spürte genau, wie sehr Nicolas sich darum bemühte, ihr zu helfen, und das war so anrührend, dass sie nicht von ihm abrückte und Distanz zu ihm schaffte. Sie wusste, dass er sie zu trösten versuchte, doch die Vorstellung, mit Menschen zu leben, die sie nicht kannte, noch dazu in einem fremden Haus, erschreckte sie. Dahlia kannte kein anderes Leben. Das Sanatorium und der Bayou waren ihre Heimat. Mühsam kämpfte sie gegen ihre Trauer und ihre Angst an.
»Ich stehle«, sagte sie unvermittelt.
»Du tust … was?«
Sein ungläubiger Tonfall entlockte ihr ein unfreiwilliges Grinsen. »Findest du Stehlen schlimmer als Töten? Ich dachte, das sei beides verwerflich.«
»Du hast mich nur überrascht.« Er zeigte keine Reaktion auf ihre freimütige Beurteilung seiner Arbeit, aber ihre Worte machten ihn betroffen – und normalerweise kümmerte es ihn nicht, was andere von ihm hielten. Er besaß seinen eigenen Moralkodex, ein ausgeprägtes Ehrgefühl. Es sollte ihn wirklich nicht kümmern, was sie sagte … tat es aber doch. Ihre Bemerkung hatte nichts Anklagendes oder Verurteilendes. Es war nur eine Feststellung gewesen, und vielleicht ging genau das ihm so unter die Haut. Dass sie einfach akzeptierte, was er war. Als ob das alles war, was seine Person ausmachte. Und alles, was sie je ausmachen würde.
»Das ist mein Job. Ich ›beschaffe Dinge wieder‹. Klingt das so besser? Gestohlene Daten zum Beispiel. Ich schleiche mich in Büros und spüre Daten auf, die private Unternehmen oder Geschäftsleute oder sonst jemand widerrechtlich an sich genommen haben.«
»Für wen arbeitest du?«
»Glaubst du, dass ich die ganze Zeit gegen die Regierung gearbeitet habe, anstatt für sie?« Sie drehte den Kopf und sah ihn unter ihren unglaublich langen schwarzen Wimpern an.
»Möglich wäre es.« Er versuchte aus ihrem Tonfall schlau zu werden, doch ihre Stimme gab ihm keinerlei Anhaltspunkt. Sie hatte sich ihm gegenüber so verschlossen, dass es ihm unmöglich war, ihre Gedanken zu erraten. »Was ist mit Jesse? Was hat er über eure Auftraggeber erzählt?
Er muss doch in direktem Kontakt zu ihnen gestanden haben.«
»Er erhielt seine Befehle stets von einem Mitglied der Armee. Jesse war ein Navy SEAL. Er würde niemals und unter keinen Umständen sein Land verraten. Er ist ein eingefleischter und überzeugter Patriot.«
»Wenn er Soldat und ein SEAL war, dann werden wir Informationen über ihn zusammentragen können. Ich weiß, dass er übersinnlich veranlagt ist, aber er war nicht Angehöriger unserer Einheit, als wir zusammen trainierten. Ich würde gerne wissen, woher er stammt und wo er ausgebildet wurde. Lily vermutet, dass Whitney das Experiment nicht nur mit den Kindern aus den Waisenhäusern durchgeführt hat und mit uns, sondern möglicherweise auch noch mit einigen anderen, und sie sucht immer noch nach konkreten Hinweisen, ob Whitney tatsächlich mit weiteren Gruppen experimentiert hat.«
»Das ist doch ziemlich wahrscheinlich, oder nicht?« Dahlia senkte den Blick auf ihre nackten Füße. Beugte sich vor, um einen Schlammspritzer von einem Fußnagel zu kratzen. »Wenn er so sehr von seinem Projekt überzeugt war, wie es den Anschein hat, hätte er dann so viele Jahre zwischen unseren und euren Experimenten verstreichen lassen? Nein, er muss auch mit anderen experimentiert haben.«
Nicolas lauschte den nächtlichen Geräuschen dieser ausgedehnten Sumpflandschaft. Die Frösche taten sich durch lautes Gequake hervor, versuchten sich gegenseitig bei ihrer Partnersuche zu übertönen. Die Frösche in der Nähe der Hütte nahmen es damit besonders wichtig und quakten besonders falsch. Und plötzlich verstummten sie auf dem schmalen Landstreifen, der zum Kanal führte.
Ohne Vorwarnung presste Nicolas die Hand auf Dahlias
Lippen und zog sie rückwärts auf die andere Seite des Dachs. Dort drückte er sie flach auf die Holzschindeln, damit man ihre Silhouetten nicht entdeckte. Sie protestierte nicht. Die nächtlichen Geräusche waren ihr vertraut, und sie wusste sofort, dass irgendetwas den Hochzeitsgesang der Frösche gestört hatte. Nicolas brachte seinen Mund dicht an ihr Ohr. »Rutsch hinunter zum Fenster, und klettere von da aus in die Hütte. Keine Angst, ich lass dich nicht fallen. Reich mir als Erstes mein Gewehr hoch. Mein Rucksack ist gepackt, sammle du noch schnell deine Sachen zusammen, und mach dich abmarschbereit.«
Dahlia nickte und glitt vorsichtig über die Dachschräge nach unten. Ihr Puls raste
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