Spiel der Finsternis: Der Bund der Schattengänger 10 - Roman (German Edition)
auf eigene Faust herauszufinden, ob die Familie Yoshiie noch hier war, und wenn ja, was genau sie ausheckten. Er war es Azami schuldig, dass er ihr eine Chance gab, ihm eine Erklärung für das Zenith und alles andere zu geben, ehe er sie Ryland überließ.
Lily verließ ihn mit einem weiteren mahnenden Blick, und er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Er wollte sie nicht als Zeugin haben, wenn er versuchte, aus dem Bett aufzustehen. Er wusste, dass es kein schöner Anblick sein würde. Schon die Veränderung seiner Haltung verschlug ihm den Atem. Er schwang seine Beine über die Bettkante und wartete, bis er wieder klar sehen konnte. Sein Mund fühlte sich so ausgedörrt an, als könnte er nie wieder genug zu trinken bekommen. Er atmete tief durch und verlagerte einen kleinen Teil seines Gewichts auf seine Füße. Das Zimmer drehte sich, die Wände wichen zurück und richteten sich langsam wieder auf. Er biss die Zähne zusammen und stand auf.
Schwärze wogte vor seinen Augen. Weiße Sterne schossen geradewegs auf ihn zu, gewaltige Kometen, die in die Luft aufstiegen und ihm entgegenkamen. Sein Magen rebellierte. Auf ihn war mehr als einmal geschossen worden. Zweimal hatte er Messerstiche davongetragen. Er war sogar kurzzeitig Elektroschocks ausgesetzt worden, aber ganz so schwach hatte er sich noch nie gefühlt. Lag das an dem Blutverlust oder an dem Absturz nach dem Einsatz von Zenith? Eine gute Frage für die Ärztin. Er zwang sich, tiefer einzuatmen, und wartete, bis die Welt sich wieder stabilisierte, denn es kam überhaupt nicht in Frage, dass er ins Bett zurückkroch.
Es dauerte ein paar Minuten, bis seine Beine wieder zu Kräften kamen. Den Schmerz in seinem Bauch konnte er mühelos verdrängen, doch die Schwäche, die sich in ihm breitgemacht hatte, erwies sich als weniger kooperativ. Er begab sich mit langsamen Schritten zum Bad und war dankbar dafür, dass die Entfernung nicht groß war. Er musste bei jedem Schritt tief durchatmen, und zweimal musste er Pause machen. Sam fluchte tonlos. Bevor er die Einsatzzentrale betrat und seinem Team gegenübertrat, musste er das unter Kontrolle bringen. Dabei war nicht gerade hilfreich, dass ihm am ganzen Körper Schweiß ausbrach.
Kaltes Wasser half. Da sie alle schon öfter verwundet worden waren, konnten die Männer sich leicht ausrechnen, was ein verwundeter Kamerad gebrauchen könnte, und diesen Überlegungen verdankte er den Stuhl, den jemand unter der Dusche für ihn bereitgestellt hatte. Er setzte sich und duschte kurz mit kaltem Wasser, wobei er darauf achtete, dass nichts auf den Klebstoff kam, der ihn zusammenhielt. Anschließend ließ er sich auf das Bett zurücksinken und ruhte sich aus, bevor er sich anzuziehen versuchte. Wenigstens hatte sein Magen sich beruhigt, die Schweißausbrüche ließen nach, und er war nicht mehr so wacklig auf den Beinen. Die Schuhe sparte er sich – sich vorzubeugen war zu schwierig, um es auch nur in Betracht zu ziehen. Er empfand einen gewissen Stolz darauf, dass er in einer geraden Linie mitten durch den Flur lief, ohne zu wanken oder in Schräglage zu gehen.
Sam stieß die Tür zur Einsatzzentrale auf. Um den großen Tisch herum saßen die Mitglieder seines Teams, die alle aufblickten. Auf den meisten Gesichtern drückte sich Bewunderung aus, manche wirkten ein wenig schockiert, nur sein Captain sah ihn finster an. Tucker und Gator, seine beiden besten Freunde, grinsten ihn beide an. Tucker sprang auf und gab ihm auf dem Weg zum Tisch Rückendeckung, um zu gewährleisten, dass er nicht auf die Fresse fiel und sich blamierte. Alle, einschließlich Sam, wussten, was jetzt kommen würde.
»Was zum Teufel hast du hier zu suchen, Sam?«, herrschte Ryland ihn an, woraufhin sämtliche Anwesenden breit grinsten. »Wenn meine Frau herausfindet, dass du aufgestanden bist, wird sie uns beide bei lebendigem Leib häuten.«
Tuckers Grinsen wurde noch breiter.
Sam zuckte die Achseln. »Sie weiß es.«
»Brauchtest du nicht heute Morgen eine weitere Bluttransfusion?«, fragte Tucker mit gespielter Unschuld.
Sam wusste, dass diese Frage nichts Unschuldiges an sich hatte. Tucker hatte es darauf abgesehen, Unruhe zu stiften – was in erster Linie hieß, Ryland zu provozieren.
Sam warf ihm einen Blick zu, der Vergeltung versprach. »Scher dich zum Teufel, Tucker.«
Raoul Fontenot, genannt »Gator«, knuffte Kaden in die Rippen. »Er sieht ein bisschen aus wie ein Gespenst, meinst du nicht auch?«
Sam versuchte es mit
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