Spiel der Herzen (German Edition)
suchen und Ihren Bruder seinem Schicksal überlassen können. Er wäre gezwungen gewesen, allein zurechtzukommen. Wenn es nötig gewesen wäre, hätten Sie sogar seine Familie bei sich aufnehmen können.«
»Ich kann nicht heiraten. Ich bin nicht mehr unberührt.«
Ob der Scham, die aus ihren Worten sprach, zog sich etwas in seinem Inneren zusammen. »Einem vernünftigen Mann, dem man die Umstände erklärt, wäre so etwas egal. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich Verlobte vor der Hochzeit … hinreißen lassen.« Ihm fiel auf, wie rot sie geworden war, wie ihre Hände zitterten. Es gab eindeutig noch etwas anderes, das sie ihm vorenthielt. »Nein, das allein kann nicht der Grund sein. Warum tun Sie so viel für Ihren Bruder?«
»Weil das, was zwischen ihm und Papa geschehen ist, zum Teil meine Schuld ist, wenn Sie es genau wissen wollen!« Ein schmerzerfüllter Ausdruck erschien in ihrem Gesicht. »Ich bin es ihm schuldig.«
Er starrte sie an. »Wie kann es Ihre Schuld gewesen sein?«
Sie ordnete ihre Karten mit fahrigen Bewegungen, die verrieten, wie sehr sie innerlich in Aufruhr war. »Ich war bei ihm und Sissy zu Besuch, als ich und Rupert … Sie wissen schon. Als Hugh mich dabei erwischte, wie ich mich zurück ins Haus schlich, ist er sofort aufgebrochen, um sich Rupert vorzuknöpfen und ihn zu zwingen, mich auf der Stelle zu heiraten, aber die Verlegung der Soldaten aufs Festland hatte bereits begonnen.« Ihre Stimme wurde immer leiser. »Papa hat Hugh nie verziehen, dass er nicht besser auf mich aufgepasst hat. Es hat alles zwischen ihnen verändert. Danach hat Vater Hugh noch viel härter angefasst.«
»Das war gegenüber keinem von Ihnen gerecht«, empörte sich Jarret. »Hat Ihr Vater wirklich geglaubt, Hugh hätte es besser machen können? Ich habe zwei Schwestern, und ich kann Ihnen versichern, wenn sie sich heimlich mit einem Mann treffen wollten, könnte ich sie nicht daran hindern, außer vielleicht, indem ich sie in ihren Zimmern einschließe.« Er dachte an Masters, und seine Miene verfinsterte sich. »Manchmal wünschte ich, ich könnte es tun. Ihr Vater hatte nicht das Recht, Ihren Bruder dafür zur Verantwortung zu ziehen.«
»Ich weiß. Er hätte mich zur Verantwortung ziehen müssen.«
»Nein, verdammt! Er hätte den Mann zur Verantwortung ziehen müssen, der Sie entehrt hat, ohne daran zu denken, was es Sie kostet.«
Und es hatte sie viel gekostet. Sehr viel. Sie hatte wie eine Nonne gelebt und sich um ihre Familie gekümmert, ohne ein eigenes Zuhause oder eine eigene Familie haben zu können. Und das alles nur wegen einer heimlichen Nacht mit einem Mann.
Er senkte die Stimme. »Sie sollten nicht die ganze Last der Sünden Ruperts tragen. Oder der Sünden Ihres Vaters oder Ihres Bruders.«
»Das ist auch nicht der Fall«, sagte sie mit einem matten Lächeln. »Ich trage die Last meiner eigenen.«
»Sie sind frei von Sünden«, erwiderte er.
»Zuvor haben Sie etwas anderes gesagt.«
Er fuhr zusammen. Zur Hölle noch mal! Mit jeder neuen Information, die sie über ihre Familie preisgab, veränderte sich sein Bild von ihr. Wie auch sein Zorn. Er war gar nicht mehr so zornig auf sie , sondern wurde immer zorniger um ihretwillen .
War es töricht von ihm? Oder war sie wirklich schuldlos?
Er starrte sie an und versuchte, sie zu durchschauen. Aber es war unmöglich bei einer Frau wie Annabel, die voller Widersprüche steckte. Sie war zugleich unschuldig und abgeklärt, zugleich offen und verschwiegen. Alles in allem faszinierend.
Zur Hölle mit ihr!
Sein durchdringender Blick bereitete ihr offenbar Unbehagen. Sie wies auf seine Karten, die er auf den Schreibtisch gelegt hatte. »Spielen wir jetzt? Oder wollen Sie mir die ganze Nacht Fragen stellen?«
Er trommelte mit den Fingern auf seine Karten und wünschte plötzlich, er hätte die Wette nicht so voreilig angenommen. Außer ihr zu sagen, dass er bleiben und ihr helfen wollte – wozu er nicht bereit war –, konnte er nichts anderes tun, als die Sache zu Ende zu bringen. Und das bedeutete, dass er sie schlagen musste.
Aber er war sich nicht mehr sicher, ob er es überhaupt ertragen konnte, sie ins Bett zu zwingen, da sie sich im Grunde um ihres törichten Bruders willen zu opfern bereit war.
Kommt Zeit, kommt Rat, dachte er. »Spielen wir!«
Und schon ging es los.
Er musste sich zwingen, sich auf das Spiel zu konzentrieren. Pikett war kompliziert und erforderte einen klaren Kopf. Man konnte dabei nicht einfach plaudern,
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