Spiel der Herzen
glückliche Ehe, in der entweder der Mann oder die Frau sich einen Fehltritt leistet, dessen Folgen nur in einem schlechten Gewissen desjenigen bestehen, der ihn getan hat. Thekla, merken Sie, Ihre Fragen, die Sie mir gestellt haben, kommen auf Sie als Bumerang zurück. Werden Sie selbst sie mir auch beantworten? Darauf bin ich neugierig.
Herzliche Grüße
Ihr Frank Petar
Zwei Monate nachdem sie mit Werner Ebert geschlafen hatte, erkannte Frau Dr. Evelyn Herzer, daß es keinen Zweck mehr von ihr hatte, sich noch länger gegen die Tatsache zu wehren, verliebt zu sein. Sie hatte sich die ganze Zeit gegen dieses Gefühl gesträubt, durch das sie vor sich selbst der Lächerlichkeit preisgegeben wurde. So dachte sie jedenfalls.
Erstens war der Mann, dem ihre Liebe galt, wesentlich jünger als sie.
Zweitens konnte kein Zweifel daran bestehen, daß er nur ein flüchtiges Abenteuer in ihr gesehen hatte.
Drittens war er in seiner ganzen Art einer, der es nur darauf anlegte, daß ihm jeder Schlüpfer wich.
Viertens hatte er nicht mehr das geringste von sich hören lassen, auch nicht aus Anstand einen Postkartengruß gesandt.
Fünftens … sechstens … siebtens …
In ihren schlaflosen Nächten reichten Evelyn die Finger beider Hände nicht aus, um die Gründe aufzuzählen, von denen sie sich dazu hätte bewegen lassen müssen, nicht mehr an Dr. Werner Ebert zu denken. Das half aber alles nichts. Er ging ihr nicht mehr aus dem Sinn. Der Widerstand, den sie gegen die Erinnerung an ihn leistete, zermürbte sie. Nach zwei Monaten war sie bereit zu einem Schritt, den sie als Schmach empfand.
Sie rief Werner an. Er hatte ihr gesagt, wo er lebte und arbeitete, und so war es ihr, einer Beamtin bei der Post, ein leichtes, seine Telefonnummer zu ermitteln. Während jeder Ziffer, die sie wählte, dachte sie, daß sie es jetzt noch in der Hand habe, aufzulegen. Und bei der letzten Ziffer seiner Nummer hoffte sie, er würde sich nicht melden. Er meldete sich aber doch.
»Guten Tag, Werner«, sagte sie. »Hier spricht Evelyn.«
»Guten Tag«, antwortete er. »Wer?«
»Evelyn Herzer.«
»Mich tritt ein Pferd! Die Posträtin?« Er lachte. Aus Freude? Sie wollte es hoffen und war deshalb erleichtert.
»Oberrätin«, sagte sie.
»Was?« rief er. »Man hat dich befördert?«
»Ja.«
»Gratuliere.«
»Danke«, sagte sie und fragte: »Hältst du mich jetzt für dumm?«
»Dich für dumm? Warum sollte ich?«
»Weil ich dir das gesagt habe – und gleich als erstes! Dummheit und Stolz wachsen an einem Holz, könntest du denken.«
»Ich denke ganz was anderes.«
»Was denn?«
»Wie klein und nichtig sich jetzt erst Leute vorkommen müssen, die dein Büro betreten, um sich über Amtmann Fahrenheit zu beschweren.«
Beide lachten. Evelyns Gefühl der Erleichterung wuchs.
»Ich sitze nicht mehr in meinem alten Zimmer«, sagte sie.
Jetzt müßte er mich nach dem neuen fragen, dachte sie.
»Hat man dir auch einen noch größeren Schreibtisch gegeben?«
»Nein.«
»Die sind sich wohl nicht im klaren darüber, wozu sie verpflichtet sind?«
»Scheinbar nicht«, ging sie auf ihn ein, empfand jedoch keinen Spaß dabei.
»Aber was nicht ist, kann noch werden, wenn der Rechnungshof mitmacht.«
»Genau.«
»Wo findet man dich denn neuerdings?«
Nun tat ihr Herz doch noch den kleinen Sprung, den er ihr nicht gleich gegönnt zu haben schien.
»In der sechsten Etage, Zimmer sechshundert.«
»Leicht zu merken.«
»Warst du schon mal wieder in Düsseldorf?«
»Nein.«
»Nein?«
»Nein.«
»Ich will es dir glauben«, sagte sie, »denn dann hättest du dich doch bei mir gemeldet – oder nicht?«
»Sicher.« Ein bißchen dürr klang dies.
»Was macht deine Arbeit?« fragte sie.
»Sie macht mich noch kaputt«, grinste er, aber das konnte sie nicht sehen.
»Hast du schon die Adresse von dieser … wie hieß sie?«
»Wer?«
»Diese Autorin, die euch den Roman mit Illustrationen geschickt hat.«
»Bendow.«
»Richtig«, sagte Evelyn. »Bendow – Thekla Bendow, nicht?«
»Ja.«
»Hast du deren Adresse schon?« wiederholte sie ihre Frage.
»Nein, immer noch nicht. Was die sich denkt mit ihrer Geheimnistuerei, weiß ich nicht. Wir können nichts anderes tun als abwarten. Eines Tages muß sie ja ihr blödes Spiel selbst aufgeben.«
»Hoffentlich.«
»Und sonst geht's dir gut? Gesundheitlich, meine ich?«
Frag mich nicht, wie's mir gesundheitlich geht, sondern seelisch, dachte sie.
Heraus rutschte ihr: »Man wird
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