Spiel der Magier
vergingen. Mehr und mehr war er davon überzeugt, daß sie sowohl Relg als auch Silk verloren hatten. Er führte die gleiche elende Leere in sich wie damals, als sie den verwundeten Lelldorin in Arendien hatten zurücklassen müssen. Er merkte etwas schuldbewußt, daß er schon seit Monaten nicht mehr an Lelldorin gedacht hatte. Er fragte sich, wie gut der junge Mensch sich wohl von seiner Wunde erholt hatte – oder ob er sich überhaupt erholt hatte. Seine Gedanken wurden immer trübseliger, je mehr Zeit verstrich.
Dann, ohne Warnung, ohne den leisesten Laut, trat Relg aus dem Felsen, in den er Stunden vorher eingedrungen war. Auf seinem breiten Rücken hing Silk, der sich verzweifelt an ihn klammerte. Die Augen des rattengesichtigen kleinen Drasniers waren vor Grauen geweitet, und seine Haare standen ihm regelrecht zu Berge.
Sie umringten die beiden und bemühten sich, nicht allzu laut zu jubeln, der Tatsache eingedenk, daß sie sich fast mitten in einer Armee von Murgos befanden.
»Es tut mir leid, daß es so lange gedauert hat«, sagte Relg und zuckte unbehaglich mit den Schultern, bis Silk endlich von seinem Rücken glitt. »Mitten in dem Hügel ist eine andere Art von Gestein. Ich mußte mich erst daran anpassen.«
Silk stand keuchend und unkontrolliert zitternd neben ihnen. Schließlich wandte er sich an Relg. »Mach das nie wieder mit mir«, entfuhr es ihm. »Nie wieder.«
»Was ist denn los?« fragte Barak.
»Ich will nicht darüber sprechen.«
»Ich hatte gefürchtet, wir hätten Euch verloren, mein Freund«, sagte Mandorallen und ergriff Silks Hand.
»Wie hat Brill dich geschnappt?« fragte Barak.
»Ich war unvorsichtig. Ich hatte nicht mit seiner Anwesenheit gerechnet. Seine Männer haben ein Netz über mich geworfen, als ich durch eine Schlucht galoppierte. Mein Pferd stürzte und brach sich das Genick.«
»Das wird Hettar gar nicht gefallen.«
»Ich werde den Wert des Pferdes aus Brills Haut herausschneiden – irgendwo dicht am Knochen, denke ich.«
»Warum haßt dich Taur Urgas so sehr?« fragte Barak neugierig.
»Vor einigen Jahren war ich in Rak Goska. Ein tolnedrischer Agent erhob falsche Anschuldigungen gegen mich – ich habe nie herausfinden können, weshalb. Taur Urgas schickte einige Soldaten aus, um mich zu verhaften. Ich wollte aber nicht verhaftet werden, also habe ich mich mit den Soldaten etwas gestritten. Einige von ihnen sind bei dem Streit gestorben. Solche Dinge passieren halt manchmal. Unglücklicherweise war eines der Opfer Taur Urgas’ ältester Sohn. Der Murgokönig hat das persönlich genommen. Er ist manchmal sehr engstirnig.«
Barak grinste. »Er wird schrecklich enttäuscht sein, wenn er morgen früh feststellen muß, daß du verschwunden bist.«
»Ich weiß«, erwiderte Silk. »Er wird wahrscheinlich diesen Teil von Cthol Murgos Stein für Stein auseinandernehmen lassen, um mich zu finden.«
»Es ist wohl Zeit, daß wir gehen«, sagte Belgarath.
»Ich dachte schon, du würdest nie darauf kommen«, sagte Silk.
23
D en Rest der Nacht und den Großteil des folgenden Tages ritten sie scharf durch. Gegen Abend stolperten ihre Pferde vor Erschöpfung, und Garion war vor Müdigkeit ebenso taub wie vor Kälte. »Wir müssen irgendwo Schutz finden«, sagte Durnik, als sie die Pferde zügelten, um Ausschau nach einem Platz für ihr Nachtlager zu halten. Sie hatten die Reihe der ineinander übergehenden, aufsteigenden Täler, durch die sich die Südliche Karawanen-Route zog, verlassen und befanden sich nun in der zerklüfteten, öden Wildnis der Berge im Innern von Cthol Murgos. Es war bei ihrem Aufstieg zu dieser riesigen Wüste aus Fels und Sand stets kälter geworden, und der Wind heulte unablässig zwischen den schroffen Felsklippen. Durniks Gesicht war vor Müdigkeit von Falten durchzogen, in denen sich der feine Sandstaub, den der Wind vor sich hertrieb, festgesetzt hatte und sie so noch tiefer erscheinen ließ. »Wir können nicht die Nacht hier draußen verbringen«, erklärte er. »Nicht bei dem Wind.«
»Geht da lang«, sagte Relg und deutete auf eine Klippe in dem steilen Hang, den sie gerade erkletterten. Er hatte seine Augen fast ganz zugekniffen, obwohl der Himmel noch immer verhangen war und das ohnehin schwache Tageslicht abnahm.
»Dort gibt es Schutz – eine Höhle.«
Sie alle betrachteten Relg nun etwas anders, seit er Silk gerettet hatte. Der Beweis, daß er, wenn nötig, Entscheidungen treffen und entsprechend handeln konnte, machten ihn
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