Spiel der Magier
deutlich, daß der liebe alte Mann in dieser Sache etwas lästig werden würde. »Und wie es so oft der Fall bei Schriften ist«, fuhr er fort, »ist unser Heiliges Buch mit unserer Geschichte verwoben. Die Weisheit der Götter ist so groß, daß ihre Unterweisungen in Geschichten verborgen ist. Unser Geist erfreut sich an ihnen, und so werden uns die Botschaften der Götter nahegebracht. Ganz unbewußt lernen wir, während wir uns erfreuen.«
Ce’Nedra war mit dieser Theorie vertraut. Meister Jeebers, ihr Lehrer, hatte sie mit dieser Unterrichtsmethode entsetzlich gelangweilt. Sie überlegte verzweifelt, wie sie elegant auf ein anderes Thema überwechseln konnte.
»Unsere Geschichte ist sehr alt«, sprach der Gorim unerbittlich weiter. »Möchtest du sie gerne hören?«
Geschlagen von ihrer eigenen Schläue, konnte Ce’Nedra nur noch hilflos nicken.
Und der Gorim begann: »Am Anfang der Tage, als die Welt von den Göttern aus der Dunkelheit geschaffen wurde, lebte in der Stille der Himmel ein Geist, der nur als UL bekannt war.« Mit größtem Entsetzen erkannte Ce’Nedra, daß er beabsichtigte, ihr das ganze Buch zu erzählen. Nach einigen Momenten des Verdrusses spürte sie jedoch, wie seltsam fesselnd die Geschichte war. Mehr als sie je zugegeben hätte, bewegte es sie, wie der erste Gorim den gleichgültigen Geist angerufen hatte, der ihm in Prolgu erschienen war. Was für ein Mann wagte es, einen Gott anzuklagen? Während sie lauschte, nahm sie aus dem Augenwinkel heraus ein schwaches Flackern wahr. Sie blickte dorthin und sah ein sanftes Glühen tief in dem massiven Fels, der die eine Wand des Raumes bildete. Das Glühen unterschied sich deutlich von dem schwachen Licht, das die Kristallkugeln verbreiteten.
»Dann wurde das Herz Gorims froh«, fuhr der alte Mann fort, »und er nannte den Ort, an dem alles geschehen war, Prolgu, das heißt heiliger Ort. Und er verließ Prolgu und kehrte nach…«
»Ya! Garach tek, Gorim!« Die Worte wurden in der gutturalen Sprache der Ulgoner hervorgestoßen, und die rauhe Stimme, die sprach, war wuterfüllt.
Ce’Nedra schoß herum, um den Eindringling sehen zu können. Wie alle Ulgoner war er klein, aber seine Arme und Schultern waren derart stark entwickelt, daß er fast deformiert wirkte. Sein farbloses Haar war verfilzt und ungepflegt. Er trug einen Lederkittel mit Kapuze, der vor Schlamm schmierig und fleckig war, und seine großen schwarzen Augen glühten vor fanatischem Eifer. Hinter ihm drängte sich wenigstens ein Dutzend weiterer Ulgoner, deren Gesichter Schrecken und beleidigte Kränkung widerspiegelten. Der Fanatiker im Lederkittel ließ einen Strom von Schmähungen auf den Gorim niederregnen.
Das Gesicht des Gorim wurde streng, aber er ertrug die Beschimpfung des glutäugigen Mannes geduldig. Schließlich, als der Eiferer Luft holen mußte, wandte sich der zerbrechlich wirkende alte Mann an Belgarath. »Das ist Relg«, sagte er entschuldigend. »Verstehst du, was ich gemeint habe? Es ist unmöglich, ihn von irgend etwas überzeugen zu wollen.«
»Wie sollte er uns von Nutzen sein?« fragte Barak, den das Benehmen des Neuankömmlings offenbar reizte. »Er spricht nicht einmal eine zivilisierte Sprache.«
Relg starrte ihn an. »Ich spreche eure Sprache, Fremder«, sagte er mit unverhohlener Verachtung, »aber ich will diese heiligen Höhlen nicht mit ungeweihten Lauten besudeln.« Er wandte sich wieder an den Gorim. »Wer hat dir das Recht gegeben, vor ungläubigen Fremden die Worte des Heiligen Buches zu sprechen?« fragte er.
Die Augen des freundlichen Gorims wurden kalt. »Das reicht jetzt, Relg«, sagte er bestimmt. »Was für Schwachheiten du in weit entfernten Galerien denjenigen vorplapperst, die dumm genug sind, dir zuzuhören, ist deine Sache, aber was du in meinem Haus zu mir sagst, ist meine. Ich bin immer noch Gorim von Ulgo, wie du auch darüber denken magst, und ich habe es nicht nötig, dir zu antworten.« Er sah an Relg vorbei in die schockierten Gesichter der Anhänger dieses Eiferers. »Das ist keine allgemeine Audienz«, gab er Relg zu verstehen. »Du bist hergerufen worden, sie nicht. Schick sie weg.«
»Sie kommen, um sicherzugehen, daß du mir kein Leid zufügst«, antwortete Relg steif. »Ich habe die Wahrheit über dich verkündet, und mächtige Männer fürchten die Wahrheit.«
»Relg«, sagte der Gorim eisig, »ich glaube nicht, daß du auch nur im entferntesten begreifst, wie wenig es mich interessiert, was du über mich
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