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Spiel der Schatten (German Edition)

Spiel der Schatten (German Edition)

Titel: Spiel der Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Entschluss ja eben erst getroffen.
    »Natürlich.« Lucy nickte grimmig. »Du fühlst dich noch immer verantwortlich für das, was damals geschehen ist. Deshalb willst du dich unbedingt selbst auf die Suche nach einem Arzt für deinen Vater machen.«
    »Nein, ich …«, wollte Cyn widersprechen, als ihr dämmerte, dass Lucy ihr soeben den denkbar glaubwürdigsten Vorwand geliefert hatte. »Du kennst mich zu gut«, sagte sie stattdessen und senkte schuldbewusst das Haupt.
    »Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, Kind«, beschied Lucy ihr streng. »Albert und Hank sind unterwegs, und sie werden alles daran setzen, einen Doktor zu finden.«
    »Das weiß ich«, versicherte Cyn. »Es ist nur … ich muss das tun, verstehst du?«
    Lucy seufzte tief. »Du bist unverkennbar die Tochter deines Vaters, Cynthia Pence«, sagte sie dann mit gespielter Strenge. »Derselbe sture Dickkopf!«
    »Und du bist die beste Freundin, die sich ein Mensch nur wünschen kann«, konterte Cyn, trat kurzerhand vor und küsste sie auf die Wange. »Danke.«
    »Sieh dich vor«, schärfte Lucy ihr ein. »Die Straßen sind um diese Zeit voller Gesindel. Vielleicht wäre es besser, wenn Nancy dich begleitet.«
    »Ich gehe allein«, versicherte Cyn, während sie bereits ihren Schal um Kopf und Hals band, sodass ihr rotblondes Haar darunter verschwand.
    Dann machte sie sich auf den Weg.

11
    NÄCHTLICHE SCHATTEN
    Es war, als hätte die Vergangenheit Cyn eingeholt.
    Schon einmal war sie zu später Stunde durch die Straßen und Gassen der Stadt geeilt, verzweifelt auf der Suche nach Hilfe. Und genau wie damals spürte sie die Verantwortung, die auf ihren Schultern lag, und die schreckliche Angst davor zu versagen. Aber diesmal hatte Cyn einen Plan, ein festes Ziel.
    Das Caligorium.
    In dem Augenblick, da Cyn ihren wie leblos daliegenden Vater erblickt hatte, war sie bereit gewesen, all die wilden Gedanken und Verdächtigungen, die ihr die Gespräche mit Finlay und O’Riley in den Kopf gesetzt hatten, zu vergessen. Doch die Worte ihres Vaters hatten alles wieder geändert.
    Warum hatte der alte Horace mit Furcht und Panik reagiert, als er das Flugblatt erblickt hatte? Und was hatte es mit dem geheimnisvollen Licht auf sich, vor dem er Cyn so ausdrücklich gewarnt hatte?
    Vielleicht hatte Lucy ja recht und all das war tatsächlich nicht mehr als die Ausgeburt eines fiebernden Geistes – vielleicht, dachte Cyn grimmig, während sie die Holywell Lane hinabging und in die High Street einbog, steckte aber auch mehr dahinter. Die Antwort, davon war sie überzeugt, war nur an einem Ort der Stadt zu finden.
    Am Finsbury Circus.
    Natürlich hätte sie auch nach einem Arzt suchen und wieder einmal durch die nächtlichen Straßen irren können, auf der verzweifelten Suche nach Hilfe – oder aber sie versuchte herauszufinden, was tatsächlich geschehen war, um ihrem Vater auf diese Weise zu helfen. Was war ihm und Pete O’Rileys Bruder widerfahren, als sie das Caligorium besuchten?
    Cyn ahnte, dass von der Antwort auf diese Frage alles abhing. Solange sie nicht wusste, was ihrem Vater fehlte, würde ihm kein Arzt helfen können.
    Sie musste die Wahrheit herausfinden.
    Um jeden Preis.
    Im Laufschritt hastete sie die High Street hinab, wo trotz der späten Stunde noch immer rege Betriebsamkeit herrschte. Droschken fuhren die breite Straße hinauf und hinab, und je näher Cyn dem Liverpool Bahnhof kam, desto zahlreicher wurden die Bettler, die entlang der dunklen Backsteinwände kauerten. Cyn schauderte bei dem Gedanken, dass, wenn es nach Desmond Brewster ging, auch ihr bald dieses Schicksal drohte.
    Bemüht, möglichst große feste Schritte zu machen und keiner der zwielichtigen Gestalten ins Gesicht zu blicken, ging sie weiter. Je näher sie dem Bahnhofsvorplatz kam, desto dichter schien der Nebel zu werden. An der Liverpool Street betrug die Sicht weniger als zehn Schritte. Unheimlich hallten die Rufe der Kutscher, Schuhputzer und Costermonger durch das trübe Halbdunkel. Cyn merkte, wie die klamme Kälte durch ihre Strickjacke kroch, und beschleunigte ihre Schritte – nur um plötzlich grob von der Seite angerempelt zu werden.
    »He, du!«
    Sie hatte den Kerl nicht kommen sehen, unvermittelt tauchte er aus dem verflixten Nebel auf. Sein Gesicht war grob und bärtig, über dem linken Auge trug er eine schmutzige Binde. Cyn erschrak fürchterlich.
    »So spät noch allein unterwegs, Schätzchen?« Die rechte Hand des Einäugigen verkrallte sich in Cyns

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