Spiel der Teufel
hier, weil ich ja leider
nicht so oft konnte, wie ich gerne gewollt hätte. Ich möchte jetzt
aber wirklich gehen, ich muss sehr früh aufstehen.«
Henning, der sich wieder beruhigt hatte, nickte. »Also gut, du
meldest dich dann morgen. Wann ungefähr, damit wir uns
drauf einstellen können?«
»Im Laufe des Nachmittags oder frühen Abends, genau kann
ich es noch nicht sagen. Doch haltet euch bereit und bringt Zeit
mit.«
»Wird das wieder eine lange Nacht?«
»Schon möglich«, antwortete sie, ohne eine Miene zu verziehen.
Ihr Blick ging zu Henning und doch durch ihn hindurch,
undeutbar und geheimnisvoll. »Aber nach morgen Abend werden
wir uns nie mehr wiedersehen. Ich gehe jetzt.«
»Und wir kommen mit«, erklärte Santos.
Auf der Straße sagte Ivana: »Bis morgen. Ich gebe euch noch
den genauen Treffpunkt bekannt.«
»Moment, ich dachte, wir würden uns wieder hier treffen«, erwiderte
Henning.
»Nein. Gute Nacht. Und denkt dran, nichts ist, wie es
scheint.«
Sie lief mit schnellen Schritten die Straße entlang, bis sie mit der
Dunkelheit verschmolz. Henning und Santos stiegen ins
Auto.
»Was hat sie vor?«, fragte er.
»Das würde ich auch zu gerne wissen. Hast du ihren Blick eben
gesehen?«
»Die ist undurchschaubar«, murmelte Henning, als hätte er
Santos' Worte nicht gehört.
»Da war so was in ihrem Blick. Ich hoffe, die macht keine
Dummheiten«, sagte Santos.
»Und wenn? Wie willst du das verhindern? Ich kann's mir aber
nicht vorstellen. Sie gibt uns morgen die Infos, und dann schauen
wir weiter.«
»Ja, aber warum sagt sie, dass wir uns morgen zum letzten Mal
sehen? Sie muss etwas vorhaben ... Wobei sie vielleicht sogar
draufgeht. Würdest du ihr so was zutrauen?«
»Keinen Schimmer. Normalerweise kann ich mich auf meine
Menschenkenntnis ganz gut verlassen, aber bei Ivana versage
ich. Ich komm mit der Frau nicht zurecht.«
»Das hab ich gemerkt, und sie auch. Sie ist nicht dumm, sie ist
sehr redegewandt, sie weiß genau, auf welche Fragen sie antworten
will und kann ... Was hat sie vorhin gesagt - sie wollte
mit Gerd in spätestens zwei Jahren abtauchen. Jetzt ist Gerd
tot, und sie steht mutterseelenallein da. Als ich vorhin mit ihr
in der Küche war, hat sie mir erzählt, dass sie sich am liebsten
umgebracht hätte, nachdem sie das von Gerd erfahren hat.
Dann sagte sie, dass es aber etwas gebe, das sie am Leben hält.
Was kann das sein? Die Frau hat alles, aber auch wirklich alles
verloren. Sören, sie ist total verzweifelt, und wir haben es nicht
gemerkt. Du hast sogar noch abfällige Bemerkungen gemacht
und ...«
»O ja, jetzt bin auch noch ich schuld! Das ist so verdammt
einfach ...«
»Keiner gibt dir irgendeine Schuld, ich muss mir genauso an
die Nase fassen!«, herrschte Santos ihn an, um gleich darauf
wieder einen moderateren Ton anzuschlagen. »Wir haben
nur gehört, was sie gesagt hat, aber nicht das, was sie uns
eigentlich mitteilen wollte oder mitgeteilt hat - ohne Worte.
Mein Gott, wenn ich nur wüsste, was sie morgen vorhat. Sie
hat immer von morgen gesprochen, und ich hab dem keine
große Bedeutung zugemessen. Irgendwas passiert, irgendwas
hat sie vor. Und ihr eigenes Leben ist ihr dabei völlig egal,
sie hat sowieso nichts mehr, wofür es sich zu leben und zu
kämpfen lohnt. Sie hat auch niemanden, der ihr helfen könnte,
nicht einmal uns. Alles, was sie noch tun kann, ist, uns ein
paar Infos zukommen zu lassen. Nach morgen Abend werden
wir uns nie mehr wiedersehen, das waren doch ihre
Worte, oder?«
»Hm.«
»Scheiße, Mann! Versuch sie anzurufen, du hast doch ihre
Nummer.«
»Du glaubst doch selbst nicht, dass sie ans Telefon geht.«
»Mensch, jetzt mach schon!«
»Ist ja gut.« Er suchte die gespeicherte Nummer, wählte und
wartete, bis eine weibliche Stimme, aber nicht Ivanas, sich meldete
und einen monotonen Text auf Russisch runterleierte. Danach
piepte es.
»Mailbox. Sie hat ausgeschaltet. Was denkst du?«
»Nichts. Versuch's noch mal und sprich auf diese verdammte
Mailbox und bitte Ivana um dringenden Rückruf, wir hätten
was vergessen, oder lass dir was einfallen.«
»Du bist sauer auf mich.«
»Quatsch, ich ärgere mich nur, dass ich die Signale nicht bemerkt
habe. Sie hat mich in der Küche umarmt und geweint.
Als ob es das letzte Mal wäre, dass sie jemanden umarmt hat.
Sie hat geweint, und ich blöde Kuh hab nur dumm rumgestanden,
statt sie in den Arm zu nehmen.«
»Du machst dir echte
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