Spiel der Teufel
Es ist nicht zu verfehlen.«
»Danke«, sagte Frau Wegner und wollte bereits gehen, als Nina
Henning zuflüsterte: »Wie sieht er aus?«
»Als würde er schlafen. Ruf an, wenn du Hilfe brauchst, Lisa
und ich ... Na, du weißt schon.«
Nina nickte Henning dankbar zu und ging mit Gerds Mutter
in das Gebäude.
Henning sah Santos an und sagte: »Das ist immer der schlimmste
Augenblick für die Angehörigen. Du siehst den Menschen,
den du am meisten geliebt hast, auf einem kalten Metalltisch
liegen und weißt, dass er nie wieder mit dir sprechen wird, nie
wieder seinen Arm um dich legen wird, nie wieder mit dir lachen
oder weinen wird, er ist einfach weg.«
»Nina ist stark«, entgegnete Santos, »auch wenn der große
Knall noch kommt. Ich hoffe, sie verliert nicht das Baby.«
»Sie ist Russin, die haben eine andere Mentalität. Sie wird es
schaffen. Und das Baby wird sie immer an Gerd erinnern. Es
ist das Einzige, was ihr von ihm geblieben ist. Und jetzt lassen
wir mal alle Emotionen außen vor und konzentrieren uns auf
den Fall. Ich schlage vor, dass wir als Erstes mit Volker und
dann mit Ziese sprechen. Der soll uns die Einsatzpläne von
Gerd zeigen. Sollte er gestern tatsächlich mit einem Kollegen
unterwegs gewesen sein, dann wird das ja vermerkt sein.«
»Und wenn nicht?«
»Wenn was nicht?«
»Wenn er mit keinem Kollegen unterwegs war oder der Dienstplan
auf unerklärliche Weise verschwunden ist? Oder wir einen
manipulierten Dienstplan vorgelegt bekommen?«
»Nicht von Ziese, der ist überkorrekt. Und sollte es Ungereimtheiten
innerhalb seiner Abteilung geben, wird er die gnadenlos
aufdecken.«
»Und angenommen, die Dienst- und Einsatzpläne stimmen
und Gerd war gestern nicht unterwegs? Keine Observierung,
sondern nur Schreibtischarbeit?«
»Dann hat er Nina angelogen. Aber davon wollen wir doch
mal nicht ausgehen. Obwohl, sollte er hinter seinem Schreibtisch
gesessen haben, wird es auch genügend Zeugen geben.«
»Und wenn es weder das eine noch das andere war?«
»Ich kann dir nicht ganz folgen«, sagte Henning, obgleich er
ahnte, was Santos mit ihrer Frage bezweckte.
»Oh, ich denke schon, dass du das kannst.«
»Nein, drück dich gefälligst klarer aus«, erwiderte er leicht ungehalten.
»Okay, dann werde ich eben klarer. Was, wenn Gerd weder an
einer Observierung beteiligt war noch hinter seinem Schreibtisch
gesessen hat?«
»Was immer er gestern gemacht hat, wir werden es sehr bald
erfahren. Aber was bezweckst du eigentlich mit deinen seltsamen
Fragen?«
»Weiß ich selber nicht, ist nur so ein Gefühl. Gerd schiebt seinen
normalen Dienst, fährt nach Hause und bringt sich in aller
Seelenruhe um. Das passt doch nicht. Er telefoniert gegen Mitternacht
mit Nina, und zweieinhalb Stunden später ist er tot.
Da ist doch was faul. Und hast du dir die Armbanduhr genauer
angesehen? Patek Philippe. Hallo, wie kann sich ein Bulle so
was leisten? So ein Teil kostet eine fünfstellige Summe. So was
schenken Millionäre ihrer Gattin oder ihrer Geliebten zum
Geburtstag oder zu Weihnachten oder mal so nebenbei, aber
ein einfacher Bulle? Ganz zu schweigen von dem 5er BMW
und dem Haus ...«
»Ich hatte genau die gleichen Gedanken, ich hab die Uhr
schließlich in der Hand gehalten. Lisa, bitte, ich kapier das alles
selber nicht und kann im Augenblick keinen klaren Gedanken
fassen. Zweifelst du etwa an seiner Integrität? Oder ...«
»He, warum so gereizt? Du hast mit der Hypothese angefangen,
dass es kein Selbstmord war. Also fang ich schon mal an
gedanklich zu ermitteln. Hier passen einfach viele Dinge nicht
zusammen. Der Lebensstil, den die beiden geführt haben, steht
in keiner Relation zum Einkommen. Oder hat er eine stinkreiche
Mutter?«
»Du weißt so gut wie ich, dass seine Mutter eine Polizistenwitwe
ist. Worauf willst du eigentlich hinaus?«
»Ich habe keinen blassen Schimmer, woher Gerd das viele Geld
hatte, aber wir sollten ihn überprüfen. Sein Konto, seine Aktivitäten
innerhalb und außerhalb des Präsidiums ...«
»Damit unterstellst du ihm, dass er krumme Dinger gedreht
hat. Ist dir klar, was du da behauptest?«
»Ich unterstelle und behaupte gar nichts. Aber was weißt du
wirklich von ihm? Wenn er nicht tot wäre, wüsstest du dann
von dieser Uhr? Oder von seinem superschicken Schlitten?
Ich hab ihn jedenfalls bisher noch nicht damit gesehen. Obwohl
du angeblich sein Freund warst, hattest du keine Ahnung,
dass er wieder Vater
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