Spiel der Teufel
...«
»Nee, nee, so einfach ist das nicht. Gerd hat öfter mal bei mir
reingeschaut und mich um Rat gefragt, wenn es um PC-Angelegenheiten
ging. Er war ein ziemlicher Laie, die Grundbegriffe
beherrschte er zwar einigermaßen, das heißt Briefe schreiben
und so weiter, aber glaubt mir, allein bei Word oder Excel
kannte er maximal zwanzig Prozent der Funktionen, und das
ist schon sehr hoch gegriffen.«
»Was willst du damit andeuten?«
»Ganz einfach - ich kann mir nicht vorstellen, dass er das hier
gewesen sein soll«, sagte Noll, lehnte sich zurück und deutete
mit einer Hand auf den Bildschirm. »Ich meine, wie sollte Gerd
so einen perfekten Screensaver herstellen, wo er doch ein absoluter
Amateur war? Schaut euch nur diese geile Grafik an, da
war ein Perfektionist am Werk. Allein die Gestaltung des Hintergrunds
erfordert eine mächtige Portion Knowhow, das Gerd
nicht hatte. He, er war erst vor ein paar Tagen wieder hier und
hat sich von mir ein paar Excel-Sachen erklären lassen. Ich
hab's versucht, ob er's allerdings kapiert hat, wage ich zu bezweifeln.
Und noch was - eine Festplatte komplett zu löschen,
ohne Spuren, sprich Fragmente zu hinterlassen, das funktioniert
alles andere als einfach, dass schaffen nur Profis. Und das
war Gerd definitiv nicht. Er hätte wahrscheinlich das gemacht,
was die meisten tun, nämlich die Platte einfach neu formatiert,
um beispielsweise ein neues Betriebssystem zu installieren.
Aber hier ist Windows Vista drauf, das erst seit kurzem auf
dem Markt ist, Spiele und der Screensaver. Ich hab mal mein
Spezialprogamm abgespult und im Schnelldurchgang alles
durchgecheckt und nichts sonst entdeckt. Wenn ihr mich fragt,
wurde die alte Platte gegen diese ausgetauscht, ob von Gerd
oder von jemand anderem, das müsst ihr herausfinden. Mir
kommt das jedenfalls ein bisschen sehr seltsam vor. Oder Gerd
war doch gewiefter, als ich dachte.« Er verzog den Mund und
schüttelte den Kopf. »Nee, war er nicht, dafür lege ich meine
Hand ins Feuer. Der hatte von Computern eigentlich null Ahnung.
Er konnte einigermaßen damit arbeiten, wie es jeder hier
im Präsidium können muss, mehr aber auch nicht.«
»Danke für deine Hilfe«, sagte Henning und erhob sich.
»Machst du morgen noch mal einen Durchlauf?«
»Pure Zeitverschwendung. Ich kann ja mal die Festplatte rausnehmen
und mir auch sonst das Innenleben des guten Teils angucken,
aber ...«
»Tu's bitte, du brauchst doch höchstens 'ne halbe Stunde dafür.
Du würdest mir einen großen Gefallen tun.«
»Euer Auftrag ist mir Befehl. Und jetzt raus, meine Freundin
wartet, und unsere Lieblingsserie fängt in einer Stunde an. Dr.
House und danach Monk. Kennt ihr doch, oder?«
Ohne etwas zu erwidern, verließen Henning und Santos das
Büro. Auf der Fahrt zu ihr verloren sie kein Wort über das
Gehörte und Gesehene. Erst als sie vor Santos' Wohnung standen,
sagte sie: »Wir reden heute nicht mehr über Gerd. Versprochen?
«
»Versprochen.«
DIENSTAG, 20.45 UHR
»Ich muss unbedingt duschen«, sagte Santos und warf Henning
diesen ganz speziellen Lisa-Santos-Blick zu, den er nur zu
gut kannte. Aufforderung im Blick, Aufforderung in der Stimme,
doch nicht unangenehm, ganz im Gegenteil, eine Aufforderung,
der er gern nachkam. Wann immer Lisa unter Stress
stand, wollte sie seine Nähe spüren, wandte sie sich nicht ab,
wie viele andere es getan hätten.
»Ich auch«, erwiderte er und folgte ihr ins Bad, wo sie sich fast
eine Stunde aufhielten. Anschließend setzten sie sich aufs Sofa,
machten den Fernseher an, und Lisa schlief an Hennings Schulter
ein, während in seinem Kopf ein Karussell kreiste. Irgendwann
machten sich auch bei ihm der Stress und die Anspannung
des vergangenen Tages körperlich bemerkbar, und ihm
fielen die Augen zu. Um kurz nach elf wurden sie von Hennings
Handy geweckt - Prof. Jürgens.
»Ich hab doch gesagt, es könnte spät werden. Und da ich auch
endlich nach Hause will, nur ganz schnell Folgendes: Euer
Kollege kann sich unmöglich selbst ins Jenseits befördert haben,
das haben ein oder mehrere andere für ihn erledigt. Ich
habe in seinem Blut eine ziemlich hohe Konzentration Flunitrazepam
nachweisen können. Damit hätte man einen Elefanten
von den Beinen geholt ... Na ja, nicht ganz, aber ...«
»Augenblick«, sagte Henning, der mit einem Mal hellwach
war, »Fluniwas?«
»Rohypnol oder auch K.-o.-Tropfen. Gehört zur Gruppe
der Benzos. Dazu kommt
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