Spiel der Teufel
hören konnte:
»Kann ich dich mal kurz unter vier Augen sprechen?«
Sie erhoben sich, und Henning bedeutete ihm mit einer Kopfbewegung,
mit zur Kaimauer zu kommen.
Dort angelangt, fragte er: »Was gibt's?«
Jürgens holte eine Schachtel Zigaretten aus seiner Jackentasche
und zündete sich eine an. Er stellte einen Fuß auf einen niedrigen
Betonpfeiler und sagte: »Die Kleine war nicht ohne. Sie
ist meines Erachtens von ihresgleichen umgebracht worden.«
»Was willst du damit andeuten?«, fragte Henning mit gerunzelter
Stirn.
»Die Haut an ihren Fingerkuppen ist weggeätzt, das heißt, ihr
könnt euch das mit den Fingerabdrücken sparen. Was das bedeutet,
brauch ich dir wohl nicht groß zu erklären.«
»Du meinst, sie war selber eine Profikillerin?«, sagte Henning
mit Zweifel im Blick.
»Ich gebe nur wieder, was ich gesehen habe. Aber welch andere
Erklärung hast du dafür, dass jemand so was tut? Kleine Ganoven
machen das nicht, sondern nur Profis. Und noch was, meiner
Meinung nach hat sie Kampfsport betrieben. Nach dem,
was ich bis jetzt von ihr sehen konnte, was zugegebenermaßen
nicht viel war, ist sie durchtrainiert bis in die letzte Sehne, und
an ihren Händen, besonders den Handkanten und den Knöcheln,
ist das ebenfalls zu erkennen. Für einen Laien eher nicht,
aber ich hatte schon zwei- oder dreimal Kampfsportler auf
meinem Tisch und kenne den kleinen, aber feinen Unterschied,
was die Hände betrifft. Ich kann mich natürlich auch irren,
aber wir können ja wetten.«
»Nein danke, kein Bedarf. Untersuch sie einfach so gründlich
wie möglich. Ich will alles über unsere Jane Doe wissen.«
Jürgens nahm einen letzten Zug an der Zigarette, drückte sie
mit der Schuhspitze aus und sagte: »Mir ist da gleich noch was
eingefallen. Erst Gerd, dann unsere Unbekannte. Vielleicht
gibt es da einen Zusammenhang.«
»Inwiefern?«
»Na ja, Gerd in der Abteilung Organisierte Kriminalität, sie
vermutlich eine Auftragskillerin. Kommt dir das nicht auch ein
bisschen seltsam vor?«
Henning sah zu Santos, die sich mit Karen Meister unterhielt,
und sagte schließlich: »Das ist ziemlich weit hergeholt, findest
du nicht?«
»Meinetwegen, ist sowieso dein Fall. Ich habe lediglich eine
Vermutung geäußert. Bis dann.«
Henning begleitete Jürgens zu seinem Wagen und sagte: »Angenommen,
nur mal so rein hypothetisch, du hast recht, dann
hat Gerd womöglich in ein Wespennest gestochen oder ...« Er
biss sich auf die Unterlippe, denn er wollte nicht aussprechen,
was er dachte.
Jürgens ließ eine kurze Weile verstreichen, bis er fragte: »Oder
was? Keine Ahnung, denn wie ich schon sagte, es ist dein Fall.
Ich bin zum Glück nur Rechtsmediziner. Außerdem kanntest
du ihn besser.«
»Könntest du anhand von Untersuchungen feststellen, ob die
beiden irgendwas verbunden hat? Und wenn es nur ein Haar
oder eine Faser ist.«
Jürgens lachte leise auf, hustete einmal und meinte: »Vielleicht
finde ich ja eine bestimmte Körperflüssigkeit von Gerd bei ihr
oder besser in ihr.«
»Bitte?«, fragte Henning, der nicht wusste, worauf Jürgens
hinauswollte.
»Es steht in meinem vorläufigen Bericht, den du gegen Mittag
kriegst, er muss nur noch getippt werden. Auch unser
über alles geschätzter Oberstaatsanwalt Sturm erfährt es frühestens nach seinem Mittagessen. Um es kurz zu machen,
dein lieber Freund hatte kurz vor seinem Tod Geschlechtsverkehr,
und zwar ungeschützten. Das haut dich jetzt um,
was? Vor allem, wenn man bedenkt, dass seine über alles
geliebte Frau gar nicht in Kiel, sondern in Hamburg weilte.
Und wenn ein aufgeklärter und sicherlich auch verantwortungsvoller
Mann wie Gerd ungeschützt mit einer anderen
Frau als seiner eigenen schläft, dann weiß er, dass er kein
Risiko eingeht, weil er die Frau aller Wahrscheinlichkeit nach
schon länger kennt.«
»Das glaub ich jetzt nicht, ich ... äh ... Und wenn er sich nur
selbst befriedigt hat? Soll in den besten Ehen vorkommen.
Vielleicht hat ihm seine Frau gefehlt«, warf Henning ein, der
seine letzten Worte selbst nicht glaubte.
Jürgens sah Henning mit hochgezogenen Brauen und leicht
von unten an und schüttelte den Kopf. »Dann frag ich mich,
von wem die andere Körperflüssigkeit stammt, die ich an seinem
kleinen Mann und an den Schamhaaren gefunden habe.
Und diese Körperflüssigkeit war nicht ein paar Tage alt, sondern
relativ frisch. Außerdem habe ich mehrere dunkle Haare
gefunden.
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