Spiel der Teufel
geschlafen
hat? Ist nicht dein Ernst, oder?«
»Was weiß ich, was in ihn gefahren ist. Ich weiß eigentlich
überhaupt nichts mehr.«
»Und diese Frau könnte unsere Tote von eben sein?«
»Ach was, das hat bis jetzt keiner behauptet. Kann auch sein,
dass seine uns noch unbekannte Sexualpartnerin gar nichts mit
dem Mord zu tun hat. Was mir aber nicht aus dem Kopf geht,
ist, dass er sich an der Ostseehalle so gegen Viertel nach elf hat
absetzen lassen. Vielleicht hat er sich dort mit der Frau getroffen,
sie haben eine Nummer geschoben und ...«
»Dann war das aber eine sehr schnelle Nummer«, warf Santos
ein, »denn um zwölf hat er mit Nina telefoniert. Und ich kann
mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er ihr gesagt hat,
wie sehr er sie vermisst oder liebt oder was immer, während
gleichzeitig sein Dödel in einer andern drinsteckt. Wenn er's
tatsächlich gemacht hat, dann nach dem Telefonat. Der Todeszeitpunkt
liegt knapp zweieinhalb Stunden danach. Und was
man in gut zwei Stunden alles machen kann, das wissen wir
beide, oder?«, fragte sie grinsend.
»Sicher«, antwortete Henning, ohne auf ihren für ihn im Moment
unpassenden Humor einzugehen. »Mein Gott, ich kenne
doch Gerd, oder besser, ich kannte ihn. Jeder, aber nicht er!«
Henning fasste sich an die Nase und schien ins Leere zu blicken.
»Das ist mir alles noch zu hoch. Zwei Tote innerhalb von
kaum vierundzwanzig Stunden, erst Gerds inszenierter Selbstmord,
dann unsere Asiatin ...« Er hielt inne und meinte mit
einem Mal: »Nehmen wir mal an, die beiden Morde hängen
zusammen. Welche Rolle spielt dann Gerd? Oder besser, welche
Rolle könnte er gespielt haben?«
»Keine Ahnung, worauf du hinauswillst.«
»Wenn ich das nur selber wüsste. Ach ja, Jürgens hat noch was
ziemlich Interessantes entdeckt - sie hatte sich die Haut an den
Fingerkuppen weggeätzt. Möglich, dass sie eine Auftragskillerin
war. Er meint, noch mehr Hinweise darauf an ihren Händen
gefunden zu haben. Und jetzt dürfen wir ein ziemlich
kompliziertes Puzzle zusammensetzen.«
Santos hatte aufmerksam zugehört, den Blick auf die menschen-
und fast autoleere Straße gerichtet. Sie begriff noch
nicht, was sie eben gehört hatte, es war zu kompliziert, vielleicht
auch nur zu spät und sie zu müde, aber sie traute Gerd
einfach nicht zu, seine große Liebe Nina betrogen zu haben.
Auch wenn die Tote vom Hafen eine recht ansehnliche junge
Frau gewesen war, aber sie und Nina trennten allein schon vom
Äußeren her Welten. Sie kannte Gerd, seit er aus Russland zurückgekehrt
war, ein attraktiver Mann, der jedoch nur Augen
für Nina hatte und immer von ihr schwärmte. Nein, Gerd hätte
sich niemals mit einer andern Frau eingelassen.
Nach ein paar Sekunden sagte sie: »Sören, das ist mir zu hoch.
Wenn Gerd von einem Auftragskiller umgelegt wurde und dieser
Auftragskiller eine Frau war, womöglich unsere Tote, warum
hat man dann sie umgelegt, nachdem sie ihren Job doch so
hervorragend erledigt hatte? Kannst du mir das erklären?«
»Ich habe keinen blassen Schimmer. Außerdem haben wir bis
jetzt noch nicht den geringsten Anhaltspunkt, dass die beiden
Morde zusammenhängen.«
»Komm, mach mir nichts vor, wir wissen es zwar nicht, aber
wir spüren es. Und wenn das alles, was du da gesagt hast, so
stimmen sollte, dann muss Gerd in etwas reingerutscht sein,
aus dem er nicht mehr aus eigener Kraft rauskam. Denk doch
nur an die Ungereimtheiten in seinem Leben. Das Auto, die
Luxusuhr, alles Dinge, von denen wir nichts wussten. Ich meine,
von dem Haus schon, doch wir haben uns nie Gedanken
darüber gemacht. Aber wir wussten zum Beispiel nichts von
seinem neuen BMW. Ich kenne keinen aus unserm Dunstkreis,
der sich einen solchen Schlitten leisten könnte, es sei denn, die
Frau oder der Mann verdient ordentlich mit. Woher um alles in
der Welt hatte er das Geld? Ninas Bilder bringen zwar einiges
ein, aber ...«
»Lisa, es ist verdammt spät, und ich möchte eigentlich nur noch
ins Bett. Und du solltest auch besser schlafen. Wir können
nicht mehr klar denken und Spekulationen ... Nee, nicht jetzt.
Bringst du mich zu mir nach Hause, ich muss allein sein.«
»Warum?«
»Weiß nicht, einfach so.«
Santos kannte Henning mittlerweile zu gut, als dass sie seine
kleine Lüge nicht durchschaute. Er würde zu Hause grübelnd
durch seine Wohnung im elften Stock des vergammelten Hauses
inmitten eines sozialen Brennpunkts tigern, sich auf
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