Spiel der Teufel
schloss die Augen. Das Hämmern in seinem Kopf war beinahe
unerträglich. Dazu kam eine leichte Übelkeit. Migräne. Seine
Gedanken wanderten kurz zu dem vor ihm liegenden Abend,
dann sagte er sich, jetzt nicht denken, bitte nicht denken, und
schlief ein. Erst als Lisa sich neben ihn legte und ihre Hand sein
Gesicht streichelte, wachte er wieder auf.
»Hallo, ich wollte dich nur wecken«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
»Du möchtest ja bestimmt noch was essen und dich frisch
machen.«
»Hm«, knurrte Henning, drehte sich zu ihr um und öffnete
vorsichtig die Augen. Er sah den lächelnden Mund und sagte:
»Schön, dass du da bist. Wie spät ist es?«
»Zehn vor neun. Ich hab dich schlafen lassen.«
Er umarmte sie und zog sie zu sich heran. Ihre Wärme tat ihm
gut, er liebte es, sie einfach nur im Arm zu halten und den Duft
ihrer Haut einzuatmen. Niemand duftete so gut wie sie.
»Wie lange bist du schon hier?«
»Seit halb sechs. Ich hab mich auf die Couch gelegt und bin
auch eingenickt. Wie geht's deiner Rübe?«
»Alles wie weggeblasen. Ich war wohl einfach nur erschossen.
Ich werde eben älter«, sagte er, ohne Lisa loszulassen.
»O ja, und wie. Ich werde dir bald einen Rollstuhl besorgen,
und wir suchen uns eine Wohnung mit Fahrstuhl oder ein
Haus, in dem wir einen Treppenlift einbauen können, ich werde
nämlich auch nicht jünger.«
»Gegen mich bist du doch noch ein Kind«, sagte er grinsend.
»Ich weiß, Papa. Und jetzt schwing deinen Hintern aus dem
Bett, wir wollen die Dame doch nicht warten lassen. Vielleicht
ist sie ja ganz hübsch, so wie die meisten Russinnen, die wir
kennen.«
»So viele kennen wir ja nun auch wieder nicht. Aber ihrer Stimme
nach zu urteilen ...«
»Raus jetzt, ich muss vorher noch einen Happen essen. Ich
mach uns ein paar Schnitten, und du gehst unter die Dusche
und rasierst dich.«
»Ich würde viel lieber was ganz anderes machen«, erwiderte er
und strich Lisa über den Rücken bis zum Po.
»Später. Ab ins Bad.«
Henning erhob sich, blieb einen Moment sitzen, schüttelte ein
paarmal den Kopf - keine Schmerzen.
»Ich hab das vorhin übrigens ernst gemeint.«
»Was?«, fragte Santos, als wüsste sie nicht, wovon er sprach.
»Dass ich dich liebe. Tut mir leid, wenn ich manchmal so unausstehlich
bin, es hat nie etwas mit dir zu tun.«
»Ich weiß, sonst wären wir schon längst nicht mehr zusammen.«
Sie sprang vom Bett und ging in die Küche. Henning holte sich
frische Unterwäsche und Socken aus dem Schrank und begab
sich unter die Dusche.
Santos kam ins Bad und sagte, während das Wasser über Hennings
Körpers lief und er sich einseifte: »Sturm war übrigens
vorhin bei uns, du warst noch keine zwei Minuten weg.«
»Was hat er gewollt?«
»Sich nach dem Stand der Ermittlungen erkundigen. Das Ganze
hat maximal zehn Minuten gedauert. Kein Wort, dass wir
aus den Ermittlungen raus sind.«
»Was? So kenne ich Sturm überhaupt nicht. Ich hatte erwartet,
er würde vorschlagen, dass wir eine Soko bilden, um die Morde
so schnell wie möglich aufzuklären, oder dass die Interne übernimmt.
«
»Volker hat das sogar angesprochen, aber Sturm hat gemeint,
das wäre wohl noch nicht nötig, er würde sich voll und ganz
auf uns verlassen. Als Letztes hat er uns noch seine volle Unterstützung
zugesagt.«
»Leeres Phrasengedresche.«
Santos hatte die letzte Bemerkung schon nicht mehr gehört,
denn sie war zurück in die Küche gegangen, um Teewasser aufzusetzen.
Henning duftete frisch. Er hatte sich rasiert und ein Eau de
Toilette aufgelegt, das Lisa ihm zu Weihnachten geschenkt hatte.
Nach dem Essen räumten sie gemeinsam den Tisch ab.
Um halb zehn verließen sie das Haus und fuhren zur St. Johanniskirche,
wo sie um zwanzig nach zehn eintrafen, stellten sich
auf den Parkplatz gegenüber der Kirche und warteten. Sie hatten
leise Musik an, als Santos fragte: »Meinst du, es war richtig,
Volker nicht einzuweihen?«
»Keine Ahnung. Hören wir doch erst mal, was sie uns zu sagen
hat. Offiziell sind wir doch gar nicht mehr im Dienst. Hast du
eigentlich was Neues von unserer Jane Doe erfahren?«
»Von wem?«
»Der Asiatin.«
»Wusste gar nicht, dass sie Jane Doe heißt. Nein, Jürgens hat
sich bis jetzt nicht gemeldet.«
»Seltsam. Normalerweise ist der doch immer so schnell.«
»Vielleicht wurde die Obduktion ja auch erst heute Nachmittag
durchgeführt«, entgegnete Santos, die mit einem Mal Hennings
Hand auf ihrer spürte.
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