Spiel der Wölfe - Briggs, P: Spiel der Wölfe - Hunting Ground (Alpha & Omega 2)
ging.
Er hätte sich ihre Gesichter auf dem Überwachungsvideo ansehen können, aber es gab keinen Grund, den jungen Mann noch weiter zu traumatisieren– er hatte ihren Geruch aufgenommen und den würde er nicht vergessen. Irgendwann würde er ihnen wiederbegegnen, wenn auch nicht heute– die Welt war nicht besonders groß für einen Mann, der ewig lebte. Wenn er sie schließlich fand, dann würde er sie an diese Nacht erinnern.
Als er den Platz erreichte, an dem der Angriff stattgefunden hatte, hielt er an, packte Annas neue Schuhe in ihre Plastiktüte und nahm sie mit. Es hatte kein Blut, kein Fleisch am Ende seiner Jagd gegeben– und Bruder Wolf war nicht zufrieden. Nicht mal ansatzweise.
Als er schließlich das Hotel erreichte, hatte er zumindest den äußeren Anschein von Ruhe zurückgewonnen. Das musste reichen.
Angus saß auf dem Boden vor ihrem Zimmer und las Zeitung. Er sah nicht aus wie ein Wächter, aber es gab wenige andere Wölfe, von denen Charles seine Gefährtin lieber beschützt gesehen hätte. Es gab nicht viel, das an dem alten Wolf, der Seattle regierte, vorbeikommen konnte.
» Steht was Interessantes in der Zeitung?«, fragte Charles höflich.
» Nicht wirklich, nein.« Angus faltete die Zeitung präzise zusammen, dann stand er auf. Er hielt sein Gesicht abgewandt und den Blick auf den Boden gerichtet. Er war nicht begriffsstutzig, der Alpha des Emerald-City-Rudels. Charles mochte ja sein Pokerface aufgesetzt haben– aber jeder Wolf, der etwas taugte, konnte den Frust der fehlgeschlagenen Jagd auf sechs Meter Entfernung an ihm riechen.
» Deine Gefährtin hatte Bedenken, jemanden ins Zimmer zu lassen, bevor du da bist. Nachdem Tom überwiegend außer Gefecht gesetzt ist, und Moira…«
» …kaum noch genug Magie übrig hat, um eine Kerze anzuzünden«, beendete Anna den Satz, als sie die Tür öffnete. » Und es tut mir leid, aber ich kenne Angus nicht wirklich– ich weiß, dass wir uns vorgestellt wurden, aber ich habe heute Morgen jede Menge Leute getroffen. Und ich glaube, dass der Angriff auf uns von jemandem aus unseren eigenen Reihen organisiert wurde. Die Tür aufzumachen, nur weil jemand behauptete, Angus zu sein, erschien mir einfach nicht besonders clever.«
Charles warf ihr einen scharfen Blick zu– er hatte nur Vampire gerochen. War dort auch ein Werwolf gewesen? Er zwang das Raubtier in sich einmal mehr unter seine Kontrolle.
Er brauchte Antworten. Und er musste sicherstellen, dass sie nicht ahnte, wie schwer es ihm fiel, ruhig und gefasst zu wirken. Es war gut, dass sie immer noch daran arbeitete, ihre Nase richtig einzusetzen.
» Und nachdem keine akute Gefahr bestand, schien es mir weise, hier zu warten, bis jemand kommt, den sie besser kennt«, sagte Angus und klang, als wäre er ziemlich zufrieden mit Anna.
» Anna«, sagte Charles und ignorierte den Drang, sie genauer zu untersuchen, um festzustellen, ob es ihr gutging. » Das ist Angus, der Alpha des Emerald-City-Rudels. Er hätte niemals, egal unter welchen Umständen, Tom in eine Lage gebracht, in der er einem ganzen Rudel Vampire entgegentreten muss.«
Angus warf einen scharfen, kurzen Seitenblick auf Charles, als Anna ihn von oben bis unten musterte– und Charles sich bemühte, seinen instinktiven Besitzanspruch zu kontrollieren. Sie versuchte nur, Angus einzuschätzen. Der Emerald-City-Alpha war nur knapp fünf Zentimeter größer als Anna, die selbst für eine Frau nicht besonders groß war– und er wog auch nicht viel mehr. Er war sehnig und fast dürr. Sandfarbene Haare und dunkle Augen verliehen ihm ein beiläufig gutes Aussehen, das er skrupellos ausnutzte. Leute, die ihn nicht kannten, unterschätzten ihn ständig, was wahrscheinlich einer der Gründe war, warum er sich über Annas Vorsicht so freute. Der andere Grund war wahrscheinlich, dass sie die Aufgabe übernommen hatte, einen seiner Wölfe zu beschützen.
Aber Anna kannte Bran, der sich noch besser verstellen konnte als Angus, wenn es ihm in den Kram passte.
» Es tut mir leid, sollte ich Sie beleidigt haben.« Annas Entschuldigung war ehrlich gemeint.
» Kein Problem«, antwortete Angus. » Wirke ich beleidigt? Lasst uns einfach reingehen, und dann kannst du uns erzählen, was passiert ist, damit wir entscheiden können, was wir unternehmen müssen. Vampire, hm?«
Anna trat von der Tür zurück. Der Geruch ihrer Sorge und der Gestank nachlassender Angst hingen im Zimmer. Sie rümpfte die Nase, als sie es selbst roch. »
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