Spiel des Lebens 1
verdienen.«
»Sicher?«
»Todsicher!«
Emily hatte diese Finanzwelt nie verstanden. Und sie würde sie wohl auch nie verstehen. Und wenn solche Flash-Trading-Computer dazu führten, das ihr Eigentümer irgendwann an die Starkstromleitung ebendieses Computers angeschlossen wurde, dann war es vielleicht ganz gut, dass man diese Welt nicht kannte.
Sicher?
Todsicher.
Sie schaute auf ihr Handy, als sie die Cafeteria verließ.
Vermutlich Mum mit ein paar weiteren Ratschlägen für mich, dachte Emily.
Seufzend zog sie ihr iPhone aus der Tasche und blickte missmutig aufs Display. Doch die Nummer kannte sie nicht. Und die SMS war leer. Nur ein Anhang. Sie klickte darauf – und ließ fast das Handy fallen.
Drake!
Auf dem Foto war Drake.
Und um seinen Hals waren zwei Hände in schwarzen Handschuhen gelegt.
Dieser Irre war bei Drake! Im Haus ihrer Eltern. Oder er hatte Drake entführt? Sie wusste nicht, was schlimmer war.
Das iPhone vibrierte noch einmal. Wieder der glockenhelle Ton. Emily ging ein wenig zur Seite, um all den Studenten, die links und rechts an ihr vorbei aus der Mensa strömten, Platz zu machen, während Matt und Jim sie aufmerksam anblickten und sie vor den Studenten abschirmten.
»Alles in Ordnung?«, fragte Matt.
Emily schüttelte den Kopf und öffnete die SMS .
DAS SPIEL GEHT WEITER. ICH RUF DICH GLEICH AN. GEH BESSER RAN.
Ihr Herz schlug so sehr, als wollte es nicht nur ihre Brust, sondern auch ihren Kopf auseinanderreißen. Sie hatte es geahnt, ja, natürlich, sie hatte die ganze Zeit gewusst, dass es wieder passieren würde. Aber jetzt war es so, als ob sie überhaupt nicht vorbereitet war. Wo war ihre Gelassenheit, die sie vorgestern noch hatte, als sie im Penthouse des toten Jack mit Carter telefoniert hatte? Sie war fort, weggeblasen wie Häuser nach einem Hurrikan.
»Ms Waters, was ist denn los?«, fragte Jim und sah sich um, während er Matt ein Zeichen gab.
Emily wollte gerade antworten, da klingelte ihr Handy, wieder die unbekannte Nummer. Sie vergaß fast zu atmen. Sie drückte auf den Annahmeknopf und ging ein paar Meter in einen Nebenkorridor, während sie sich das linke Ohr zuhielt, um den Lärm auf dem Flur auszublenden. Matt und Jim ließen sie nicht aus den Augen.
»Braves Mädchen«, sagte die Stimme, und sie wusste sofort, dass das die Stimme war, die sie auch am Samstag gehört hatte. Es kam ihr einerseits vor, als wäre es ewig her, dass sie sie gehört hatte, doch andererseits erschien sie ihr so unheimlich vertraut, als hätte irgendein perfider Teil ihres Bewusstseins nur auf diesen Moment gewartet, in dem der unheimliche Anrufer wieder anrufen und sie diese leise, freundliche, aber auch gleichzeitig lauernde Stimme wieder hören würde. »Und deine Leibwächter können auch mal nichts anderes machen, als bloß zuzuhören.«
Natürlich. Er beobachtete sie gerade, wusste, wer bei ihr war. Und er hatte recht. Ihre Bodyguards konnten beide nichts machen. Oder sollten sie ihn aus dem Telefon herausziehen?
»Braves Mädchen«, lobte die Stimme noch einmal. »Mit einem braven Hund. Drake, nicht wahr?« Die Stimme machte eine Pause, die der Sprecher wohl nur dafür nutzte, um die Qual von Emily sadistisch in die Länge zu ziehen. »Unser Drake hier hat noch viele schöne Jahre vor sich. Es kann aber auch sein, dass er nur noch ein paar Stunden hat. Oder vielleicht sogar nur ein paar Minuten.«
Emily schaute sich um, während sie weiter zuhörte, ihr Blick traf Jim und Matt, und sie machte Zeichen, formte mit dem Mund Worte, die bedeuten sollten: Er ist es! Er ist es wieder! Was würde als Nächstes passieren? Würde es dem Irren gelingen, sie wieder in Gefahr zu bringen, obwohl die teuersten Personenschützer sich um sie kümmerten, die es in ganz London gab? Und würde das nächste Bild, das sie von Drake erhalten würde, ein anderes sein? Sie versuchte, den Gedanken mit aller Macht zu unterdrücken, aber auf einmal waren da Bilder von Drake. Drake mit leeren, verdreht nach oben starrenden Augen, das Fell verklebt von Blut, die Beine seltsam verrenkt …
»Wie lange Drake noch zu leben hat«, sprach die Stimme weiter, und auf einmal waren die schrecklichen Visionen verschwunden, und Emily kam es so vor, als hätte man sie mit Eiswasser überschüttet, »wie lange er noch zu leben hat, das entscheidest allein du. Also«, wieder eine Pause, »hör gut zu.«
Sie klemmte das Handy ans Ohr und wühlte in ihrer Tasche nach ihrem Notizblock und einem Kugelschreiber, fand
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