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Spiel des Lebens 1

Spiel des Lebens 1

Titel: Spiel des Lebens 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Etzold Veit
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so wie man das in den Actionfilmen immer sah. In den Actionfilmen rannte der Held mit der Schulter gegen die Tür – und die Tür flog aus den Angeln.
    Sie sah das graulackierte Metall, wie es im diffusen Flackerlicht näher kam, die Klinke, das Schlüsselloch, die Scharniere an der Wand …
    Dann kam der Aufprall.
    Ein greller Schmerz schoss durch ihre Schulter und durch ihren Arm und fraß sich durch Brust und Rippen bis zur anderen Schulter.
    Die Tür hatte ein wenig geknirscht, so wie ein Dinosaurier, der mit einer Nadel gestochen wird. Bewegt hatte sie sich gar nicht.
    Tränen schossen ihr in die Augen, während Emily ihre Schulter massierte und hasserfüllt die Tür anblickte, wie einen Erzfeind, den sie schon seit Jahrzehnten jagte.
    Sie trat ein paarmal gegen die Tür, hämmerte mit den Fäusten dagegen und schrie: »Hilfeeee! Hilfeeee!«
    Dann legte sie das Ohr an das grau gestrichene Metall und lauschte in den Gang.
    Nichts.
    Nur das Summen von irgendwelchen Heizungsanlagen weit weg und das Rauschen in ihren Ohren.
    Und das Geräusch des Wassers.
    Dip, dip, dip …
    Sie würde wahnsinnig werden, wenn sie dieses Geräusch die ganze Nacht hören musste. Die ganze Nacht. Oder vielleicht noch eine Nacht? Und noch eine?
    Ein weiterer Schlag gegen die Tür, mit ganzer Kraft, sie spürte den Schmerz in ihren Händen und in ihren Armen.
    »Hört mich denn keiner?«, brüllte sie. »Hört mich denn keiner?«
    Sie lauschte in die Stille hinein und wusste schon, dass sie nur das Zischen der Heizungsrohre, das Rauschen in ihren Ohren und das Tropfen des Wassers vernehmen würde.
    Darum zuckte sie umso mehr zusammen, als die Stimme plötzlich erklang.
    »Doch Emily, einer hört dich!«
    * * *
    Doch, Emily, einer hört dich.
    Die Stimme hallte und kam verzerrt aus irgendeinem Lautsprecher, und sie wusste, es war die gleiche Stimme. Die lauernde, auf seltsame Weise freundliche Stimme, von diesem Menschen, der sie immer sah, immer beobachtete und immer hörte. Auch jetzt.
    »Die Leidenschaften lassen den Menschen leben«, sagte die Stimme, »die Weisheit aber, lässt ihn überleben.«
    Emily starrte mit aufgerissenen Augen in das Halbdunkel, während sie aus ihrer Tasche einen Block und einen Stift zog. Besser sie schrieb schnell alles auf, falls dieser Wahnsinnige wieder irgendwelche Rätsel auf sie abfeuern würde.
    Es vergingen einige Sekunden. Dann ertönte die Stimme wieder. »Wie tief bist du gefallen, in den allertiefsten Keller, den allertiefsten Abgrund.«
    Sie notierte sich die Worte, ohne auch nur im Mindesten irgendetwas damit anfangen zu können.
    »Siehst du das Wasser?«, fragte die Stimme.
    Sie nickte.
    »Siehst du es?«
    »Jaaa«, rief sie, so laut sie konnte. Nicht dass der Irre auf einmal die Verbindung abbrach und sie hier nie wieder herauskam.
    »Und?«, fragte die Stimme lauernd. »Was macht das Wasser?«
    Er hatte auf ihre Antwort reagiert. Also hatte er sie gehört. Offenbar war irgendwo ein Mikrofon in den Raum eingebaut.
    Was macht das Wasser? Emily zog die Augenbrauen zusammen, während sie wieder das penetrante Tropfen hörte.
    Dip, dip, dip …
    »Es tropft?«, antwortete sie.
    »Falsch!«, sagte die Stimme.
    Dann wieder: »Was macht das Wasser?«
    Sie schaute sich um, ging zu einer der Pfützen, blickte in das brackige Wasser hinein, in dem sich ihre Gestalt diffus spiegelte.
    »Es … es stinkt!«
    Bisher war ihr zwar kein Gestank aufgefallen, doch sie war sicher, dass das Wasser stinken würde, wenn man näher herantrat.
    »Falsch!« Schon wieder.
    »Emily!« Die Stimme wurde schärfer. »Ich frage dich noch einmal: Was macht das Wasser?«
    Was wollte dieser Irre? Was sollte das Wasser hier unten machen? Es stand herum, es …
    »Es fließt!«
    »Falsch!«
    Sie atmete verzweifelt aus. Sie spürte das Adrenalin in ihrem Körper, das die letzten Spuren der Verzweiflung hinwegfegte, sie hellwach machte, so als hätte ihr jemand Koffein injiziert.
    Was sollte das Wasser denn noch machen? Wenn es heiß wurde, dann …
    »Es verdunstet!«
    »Falsch!«
    »Aber es kann doch verdunsten!«, schrie Emily hilflos. »Und fließen und stinken und tropfen kann es auch!«
    »Aber nicht das Wasser, das ich meine«, sagte die Stimme gnadenlos. »Also: Was macht das Wasser?«
    »Es … es kocht.«
    »Blödsinn, wo kocht es denn hier?« Die Stimme schien fast ein wenig böse zu werden. Dann wurde sie schlagartig leiser, was das Ganze noch unheimlicher machte.
    »Emily«, sagte die Stimme drohend, »in unseren

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