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Spiel des Schicksals

Spiel des Schicksals

Titel: Spiel des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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stellte ich mir vor, ich hätte dort schon jahrhundertelang in Erwartung meiner Auferstehung gelegen. Aber in Wirklichkeit wartete ich nur auf die Morgendämmerung. In der Stille der Nacht und in der Einsamkeit des Dunkels war mein Geist hellwach, und ich wurde von tausend Gedanken geplagt. Immer wieder tauchten dieselben Gesichter vor mir auf: Arnold Rossiter, Achmed Raschid, John Treadwell, Asmahan, Dr. Kellerman. Sie alle brachten mich um den Schlaf. Und obgleich ich versuchte, sie zu verdrängen und Ruhe vor ihnen zu finden, durchlebte ich jetzt zum hundertsten Mal die Ereignisse des gerade vergangenen Tages. Und als ich zum Ende kam, zu Achmed Raschids Worten »sie ist meine Schwester«, da spürte ich wieder diese seltsame Reaktion in meinem Innern: wie mein Herz einen Schlag auszusetzen schien, dieses eigenartige, jähe Glücksgefühl. Tatsächlich war es dieser letzte Augenblick des Tages – nicht die Verwirrung in der Telefonzentrale oder meine Panik im Muski-Viertel und auch nicht meine Auseinandersetzung mit Rossiter –, der sich in meiner Erinnerung am häufigsten vordrängte und mich von einem friedvollen Schlaf abhielt. Warum hatte ich mich durch seine Worte eigentlich so beeindrucken lassen? Ein Gefühl der Erleichterung und Freude war in mir hochgekommen, und es hatte sich so unerwartet, so reflexartig eingestellt, daß es mich überraschte. Es hatte mich etwas verblüfft, mich selbst bei einer solchen Reaktion zu ertappen. Eigentlich wunderte es mich, daß ich überhaupt reagierte. Was sollte mir daran gelegen sein, ob Asmahan nun seine Verlobte oder seine Schwester war? Und warum, fragte ich mich nun, als der junge Tag langsam durch die Fensterritzen drang, warum dachte ich eigentlich darüber nach? Ich sah den Mann vor mir, der sich für meinen Beschützer hielt. Daß er ganz anders war als irgendein Mann, den ich bisher gekannt hatte, lag klar auf der Hand. Aber da war noch etwas anderes. Es entsprach nicht meiner Gewohnheit, mich von etwas Fremdartigem oder Ungewöhnlichem so leicht faszinieren zu lassen. Eigentlich neigte ich eher dazu, solchen Dingen zurückhaltend und mißtrauisch zu begegnen. Nein, es gab da eine Eigenschaft an dem Mann, der im Zimmer nebenan schlief, die mir gefiel. Und am Ende mußte ich mir eingestehen, daß ich mich zu ihm hingezogen fühlte.
    Die Stunde vor Tagesanbruch eignet sich am besten zum Nachdenken, denn es ist die kühlste, beschaulichste und ruhigste Tageszeit. Ich lag bequem und gemütlich da und blickte auf einen Tag zurück, den überstanden zu haben ich dankbar war. Vor mir lag ein Tag, der neue Hoffnungen und Möglichkeiten bergen konnte. Es war eine volle Woche her, daß Adele mich aus Rom angerufen hatte, daß ich beschlossen hatte, zu ihr zu fahren, bloß eine Woche, und es kam mir vor wie eine Ewigkeit. So viel war mir in dieser kurzen Zeit passiert, und ich wußte, daß noch eine Menge auf mich zukommen würde. Irgendwie ahnte ich, daß diese Odyssee nicht so schnell und auch nicht hier enden würde. Es war eher wahrscheinlich, so überlegte ich in dem fahlen Morgenlicht, daß es noch einige Überraschungen geben würde.
    Wieder dachte ich an Achmed Raschid. Und ich dachte an Dr. Kellerman. Und ich dachte an den Wandel, der sich mit mir vollzog.
    Ich wartete, bis ich das Geräusch der sich schließenden Wohnungstür vernahm, bevor ich beschloß aufzustehen. Das erste, was ich tat, war, die Wohnungstür zu verriegeln. Danach stellte ich mich lange unter die Dusche, durchstöberte die Küche nach etwas Eßbarem, kochte mir selbst Tee (allmählich entwickelte ich ein Bedürfnis danach) und machte es mir dann gemütlich, um auf Asmahan zu warten. Doch ich wartete vergebens, denn Asmahan kam nicht. Ich konnte ihr keinen Vorwurf daraus machen, daß sie nicht kam, und nahm es auch Achmed nicht übel, falls er sie von mir fernhielt. Dieses Spiel wurde immer gefährlicher, und sie war beinahe mit hineingezogen worden. Niemand wußte, wie lange das noch so weitergehen sollte, und es war wirklich nicht nötig, noch eine weitere Person darin zu verwickeln. Der Tag schleppte sich endlos dahin. Gelegentlich, wenn ich auf der Treppe Schritte hörte, erwartete ich hoffnungsvoll, daß Achmed Raschid heimkäme. Aber jedesmal verschwanden die Schritte in einem anderen Eingang. Dreimal hörte ich den Ruf des Muezzins und fragte mich, ob Achmed, wo immer er sich gerade aufhielt, seine Tätigkeit unterbrach, um niederzuknien und gen Mekka zu beten. Ich versuchte sogar,

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