Spiel des Schicksals
alles, worauf es ankommt.«
Als ich ihn lächeln sah, fühlte ich mich etwas besser. »Wie oft kann ein Mensch an einem Tag ›es tut mir leid‹ sagen? Sie müssen denken, ich sei ein wahrer Tölpel.« Ich erwiderte sein Lächeln. »Sie haben selbst viel riskiert, um mich zu retten. Danke.«
Darauf erhob er sich, und während er sich mit Asmahan auf arabisch unterhielt, ging er und holte seine Jacke. »Es wird schon spät. Ich werde sie nach Hause bringen und bald zurückkommen. Sie verriegeln die Tür, ja?«
Diesmal gab ich mich nicht damit ab, durch die Läden zu schauen und sie beim Hinausgehen zu beobachten. Ich verschloß die Tür und kehrte auf die Couch zurück, wo ich dankbar den Rest von meinem Tee austrank. Ich war jetzt unglaublich müde, und jede Stelle meines Körpers tat mir weh. Doch wenn ich mir die Ereignisse des Tages durch den Kopf gehen ließ, würde ich schlafen können? Ich hatte im Muski ein böses Erlebnis gehabt, war so nahe daran gewesen, von einem Mörder entführt zu werden, und war – um die ganze Sache zu krönen – nicht einmal dazu gekommen, mit Dr. Kellerman zu sprechen.
Mein Kopf war voll mit wirren Gedanken und Gefühlen. Ich zog den Schakal aus meinem Hosenbund hervor und hielt ihn vor mich hin. Ich betrachtete eingehend das merkwürdige Gesicht, das breite Grinsen, die listigen Augen und spitzen Ohren. Welche Geheimnisse barg sie in sich, diese antike Spielfigur? Warum war sie so wertvoll, und warum versuchten so zwielichtige Gestalten, sie mit allen Mitteln in ihren Besitz zu bringen?
Ich ließ den Schakal in meinen Schoß fallen und begann auf die gegenüberliegende kahle Wand zu starren. Andere Bilder schossen mir durch den Kopf. Der große amerikanische Tourist mit dem Südstaatenakzent, und wie sicher ich mich in seiner Obhut gefühlt hatte. Die nackte Angst, als ich den dicken Mann genau hinter mir stehen sah. Der Schrecken, der in mich gefahren war, als der Karren umkippte und die Menge in Panik losstürmte. Und ich erinnerte mich an das Gefühl, das ich empfunden hatte, als Achmed Raschid seine Arme um meine Hüften geschlungen hatte.
Dann dachte ich daran, was er jetzt wohl mit Asmahan machte, daß er sie vielleicht küßte.
Als ich seine Schritte auf der Treppe hörte, verbarg ich den Schakal wieder unter meiner Bluse und stürzte den letzten Rest meines Tees hinunter und ließ Mr. Raschid ein. Während er die Tür hinter sich schloß und verriegelte, meinte er hastig: »Da draußen ist niemand, Mr. Rossiter hat keine Ahnung, wo oder bei wem Sie sich in diesem Augenblick aufhalten.«
»Gott sei Dank!«
Er lächelte: »Inscha’allah. Sind Sie hungrig, Miss Harris?«
»Nein, eigentlich nicht.« Ich glättete meine zerknitterte Kleidung. »Ich fühle mich schrecklich und will nur ins Bett gehen.«
»Sehr gut.« Er lief zum Tisch und begann seine Jacke abzulegen. »Mr. Raschid, wer genau ist Arnold Rossiter?« Er hielt eine Sekunde lang inne, zog dann vollends seine Jacke aus und hängte sie sorgfältig über den Stuhl. Das Hemd, das er darunter trug, war makellos weiß, oder aber es wirkte nur so durch den Kontrast, den es zu seiner dunklen Haut bildete. »Das werden Sie mir doch verraten, oder?«
»Nicht jetzt, noch nicht.«
»Nun ja.« Ich ging auf die Schlafzimmertür zu. »Jedenfalls tut es mir leid, daß alle heute meinetwegen so viel haben durchmachen müssen. Ich versichere Ihnen, es war nicht meine Absicht, in eine so schlimme Sache hineinzugeraten.« Er stand nahe bei mir und lächelte schwach.
»Und es tut mir wirklich auch wegen Asmahan leid. Ich wachte heute morgen auf und war von dem einzigen Gedanken besessen, Dr. Kellerman anzurufen. Nichts anderes erschien mir wichtig. Ich fühlte mich so sicher und geborgen, wahrscheinlich ein allzu großer Optimismus, und ich war mir so gewiß, daß man mich nicht erkennen würde. Ich hatte kein Recht, Ihre Verlobte einer solchen Gefahr auszusetzen.« Mr. Raschids Lächeln veränderte sich zu einem verwirrten Gesichtsausdruck. »Verlobte?«
»Ja. So etwas wie Ihre Freundin, verstehen Sie? Ihre Braut. Oder wie immer man es auf englisch noch bezeichnen kann. Asmahan!«
»Ja, ich kenne das Wort, Miss Harris. Aber Asmahan ist nicht meine Verlobte.«
»Nicht?«
»Nein«, erwiderte er lachend, »sie ist meine Schwester!«
11
Ich lag wie eine Mumie in meinem Bett und starrte an die dunkle Decke hinauf, als ob sie der Nachthimmel wäre und ich in den Sternen lesen könnte. In meiner Phantasie
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