Spiel des Schicksals
Zimmer wurde es jetzt rasch immer dunkler, aber niemand machte Anstalten, eine Lampe anzuschalten. »Es wird nicht wieder vorkommen«, murmelte ich.
Achmed Raschid stand weiter reglos vor mir und sah mir in die Augen, als ob er mir etwas sagen wollte, aber nicht wüßte, wie. Ich wiederholte noch einmal: »Es tut mir leid«, und in meiner Stimme lag Bitterkeit.
Da regte sich Mr. Raschid ein wenig, seufzte tief und sagte zu meiner Überraschung mit leiser Stimme: »Ich war in Sorge um Sie.« Ich erwiderte seinen Blick. Irgendwo aus der Ferne, durch den lavendelfarbenen Sonnenuntergang hindurch und über die Dächer hinweg ertönte das Klagen des Muezzins. Sein Ruf drang durch die Läden, wanderte durch den Raum und rief uns sanft in Erinnerung, wer und wo wir waren. Entfernte Straßengeräusche wurden dadurch gedämpft, und die blecherne ägyptische Musik drang kaum noch hörbar durch die Mauern. Und in der zunehmenden Finsternis und Schwermut begann ich unwillkürlich zu zittern.
Ich weiß nicht, wie lange Raschid und ich so dastanden und uns anstarrten. Doch als Asmahans Stimme den Bann brach, wandte ich schnell meine Augen ab. Als nächstes ging ein Licht an und gleich darauf ein zweites. Dann eilte Asmahan an uns vorbei in die Küche. Als ich ihr nachschaute, fühlte ich den harten Blick Achmed Raschids im Rücken.
»Verzeihen Sie mir«, sagte er ruhig. »Ich habe kein Recht, so böse auf Sie zu sein.« Ich fuhr herum.
»Sie können tun, was Ihnen beliebt«, fügte er hinzu. »Ich hätte Asmahan nicht mit hineinziehen dürfen. Es tut mir leid. Und… und danke, daß Sie mich gerettet haben. Gott, wie blöd von mir!«
Er schien einen anderen Gedanken zu erwägen, ließ ihn jedoch gleich wieder fallen. Statt dessen ging er an mir vorbei und trat zu Asmahan in die Küche.
Ich ging ein wenig im Zimmer umher, betrachtete dies und berührte jenes, bevor ich mich auf der Couch niederließ und versuchte, mich zu beruhigen. Daß ich einen schweren Schock erlitten hatte, war offensichtlich, denn ich bebte noch immer und fühlte mich ganz schwach. An der Stelle, wo der amerikanische Tourist mich gepackt hatte, war mein Arm wund, und dort, wo man mir im Gedränge auf die Füße getreten hatte, befanden sich Hautabschürfungen. Während ich meine schmerzenden Stellen rieb und versuchte, mich durch tiefes Ein- und Ausatmen zu entspannen, ließ ich mir den ganzen Vorfall noch einmal durch den Kopf gehen und war am Ende genauso verblüfft wie am Anfang. Asmahan und Achmed kamen leise ins Zimmer, stellten Tassen und Kuchenstücke auf den Kaffeetisch und setzten sich geräuschlos hin. Während Asmahan den Tee einschenkte, sah sie mich unverwandt aus dem Augenwinkel an. Es machte mich verlegen. Was um alles in der Welt dachte sie über meine Beziehung zu ihrem Verlobten? »Miss Harris«, begann Mr. Raschid, der neben mir auf der Couch saß, »sagen Sie mir, haben Sie auf dem Basar irgend jemanden bemerkt, der Ihnen verdächtig vorkam? Ich meine, wäre es möglich, daß Sie verfolgt wurden?«
»Der fette Kerl mit den dicken Brillengläsern, von dem ich Ihnen erzählt habe, war da.«
Er schloß einen Augenblick die Augen. »Ich verstehe.«
»Aber ich weiß nicht, wie lange er da war. Er muß mich gerade in * diesem Moment entdeckt haben, weil ich ihn davor nicht bemerkt hatte, und ich denke, ich bin wohl längere Zeit herumgeirrt, bevor ich auf die Touristen stieß.«
»Touristen?«
»Eine Gruppe von Amerikanern. Ich kann Ihnen sagen, nachdem ich Asmahan aus den Augen verloren und längere Zeit nichts als Arabisch gehört und nur fremde Gesichter gesehen hatte, war ich froh, auf sie zu treffen. Sehen Sie, Mr. Raschid, ich kann doch auf mich allein aufpassen. Ich hatte gerade jemanden gefunden, der mich zum Hilton zurückbegleiten wollte, als die Hölle losbrach und kurz danach Sie auftauchten…« Ich runzelte die Stirn, als ich versuchte, diesen chaotischen Augenblick zu rekonstruieren. »Wer wollte Sie begleiten?«
»Ein amerikanischer Tourist und seine Frau. Ich glaubte, bei ihnen sei ich sicher. So hätte der Mann mit der Brille mich wohl doch nicht erwischt.«
Er dachte über meine Worte nach. »Ein amerikanischer Tourist? Wie sah seine Frau aus?«
»Edna? Nun, ich weiß nicht recht. Ich habe sie eigentlich gar nicht gesehen. Sie hielt sich etwas von der Gruppe entfernt auf.«
»Woher wissen Sie dann, daß sie überhaupt da war?«
»Wie bitte?«
»Und woher wußten Sie, daß dieser Amerikaner, mit dem Sie fahren
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