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Spiel des Todes (German Edition)

Spiel des Todes (German Edition)

Titel: Spiel des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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sich auf das Essen. Alle Augen waren auf Clara gerichtet, Lugers
Augen eingeschlossen. Kleider mit tiefem Ausschnitt waren an sich schon eine
gewagte Sache, doch Adrian zuliebe nahm sie dieses Wagnis, ohne mit der Wimper
zu zucken, auf sich und betonte es noch zusätzlich. Sie hatten das Stück bunten
Stoff tags zuvor in einem der sündteuren Designer-Shops in der City erstanden,
und Luger hatte sie gebeten, es an diesem Abend erstmalig zu tragen. Clara war
umwerfend schön, und die Sommersprossen machten sie noch charmanter. »Deine
besondere Art von Gesichtspunkten«, nannte Luger es.
    Ihr neues Kleid rundete das Bild geradezu perfekt ab. Und Clara
wusste das. Sie konnte sich selbst kaum vorstellen, wie sie sich in den paar
Jahren verändert hatte. Aus dem schüchternen Mädchen vom Bauernhof war ein
höchst dekorativer Vamp im Stile Hollywoods geworden, der in einer der
attraktivsten Städte der Erde von einem der hundert reichsten Männer
Deutschlands, ihrem Ehemann, begleitet wurde.
    Es war fast halb elf, als sie satt und zufrieden das Lokal
verließen. »Alles ist gut«, sagte Clara optimistisch lachend. Ihre Hand suchte
die seine. »Wollen wir uns noch ein wenig unters gemeine Volk mischen,
Liebster?«
    Das Taxi schlängelte sich hügelauf- und -abwärts durch den Verkehr,
fuhr die Geary Street hinunter bis Höhe Powell, bog dann in eine wenig
befahrene Straße ein und erwischte eine Ampelphase, die sie auf der grünen
Welle direkt ans untere Ende des Italian Quarter in North Beach brachte. Luger
drückte dem Fahrer ein paar Scheine in die Hand, sprang ums Auto herum und
öffnete Clara galant die Tür. Er legte den Arm um ihre Hüften, und sie
steuerten in der beleuchteten Dunkelheit beschwingt das Viertel an.
    Clara hätte vor Glück zerspringen können. Es war ihre erste große
Reise, sowieso die erste über den großen Teich. Zusammen mit dem Mann, den sie
liebte und der ihr jeden Wunsch von den Augen ablas. Als sie vor einer hell
beleuchteten Juwelierauslage stehen blieben, musterte sie ihn heimlich.
    Oft schon hatten ihre Augen sein Gesicht abgetastet wie ein Laser in
der Nacht den Sternenhimmel. Doch sie musste es immer und immer wieder tun, und
jedes einzelne Mal entdeckte sie neue Züge an Adrian. Sein markantes Gesicht
hatte er von seinem Vater ererbt – das kannte sie von Fotos –, und später hatte
es sich durch seine Lebensführung geprägt und gefestigt. Am auffallendsten
waren seine Augen. Sie waren von so einem tiefen, scharfen Blau, dass sie,
trotz der rötlich braunen Sprenkel in der Iris, den Eindruck aufrechter Moral
hervorriefen. Als weltweit erfolgreicher Banker selbstverständlich, dachte sie.
Banker müssen moralisch sein. Und bei Adrian, da war sich Clara ganz sicher,
war Moral nicht nur eine Alterserscheinung, er war erfüllt davon, beruflich wie
privat. Sein Haar begann an den Seiten grau zu werden und ein wenig von der
Stirn zurückzuweichen, darunter breitete sich ein fächerförmiges Netz von
Fältchen um die Augenwinkel aus.
    Die Lampara, das war ein Gewirr von Straßen mitten im Stadtviertel
North Beach mit Menschen ohne Gesichtern. Vor über hundert Jahren hatten sich
hier fast ausschließlich Auswanderer aus Ligurien und der Gegend um Genua
angesiedelt. Der Charakter der Altstadt von Genua war erhalten geblieben,
freilich fehlte der Hafen.
    Clara und Luger folgten einem Pärchen, beide von kleiner Statur, das
sich offenbar auskannte. Die Kleine drückte ihrem Partner den Arm und bedachte
ihn mit tiefen Blicken von der Seite, was dem Kerl offensichtlich gefiel. Vor
einer Bar blieben sie stehen. Clara und Luger hatten Mühe, ebenfalls stehen zu
bleiben und sich unbeteiligt zu geben. Eine Leuchtreklame über der Tür plärrte
den Namen in gelben, grünen und roten Farben weit hinaus: Portofino.
    »Na, das klingt doch molto simpatico «, meinte Luger und biss Clara
zärtlich in die Nasenspitze. Das Pärchen vor ihnen marschierte weiter. Luger
schob die Tür auf.
    Ein wildes Durcheinander von Menschen, Farben, Stimmen, Bewegungen
an und vor einer Bar, die lang war und geschwungen wie ein riesiger Wal.
Hocker, Sessel, Strahler, irgendwo ein DJ ,
überall eine Menge Spaß. Salsa statt Techno.
    Clara war noch nie in so einer Bar gewesen. Das Münchener P 1
war ein Dreck dagegen. Nun drehten sich alle nach ihr um. Sie hatte sogar den
Eindruck, dass es leiser geworden war, als sie hereinkamen. Etwas verlegen
schob sie die schwarzlederne Umhängetasche, die sie bei solchen Ausflügen

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