Spiel mir das Lied vom Glück
ein.«
»Diesen Moment?«
»Ja. Ich möchte mich an jede Kleinigkeit erinnern. Wo ich sitze, was ich gerade tue, was du gesagt hast, wie du es gesagt hast.«
»Warum willst du dich daran erinnern?« Ich atmete zitternd. Allein der Gedanke an Dean Garrett ließ mich beben.
»Weil ich alles richtig machen will.«
Ich seufzte, dann lachte ich. Ich errötete. Warum diese Qual?
»Und, sagst du zu oder ab? Du hast bestimmt was Besseres vor, oder? Leute verklagen, Dokumente ablegen, Zeugenaussagen aufnehmen, Anwälte anschreien … «
»Wenn unsere Enkel uns irgendwann mal fragen, will ich ihnen genau beschreiben können, wie es war, als ihre Oma mich zum ersten Mal um eine Verabredung bat. Bis ins kleinste Detail.«
Aha, unsere Enkel. Davor kämen erst mal Kinder. Kinder mit Dean Garrett. Nein, schöner konnte das Leben nicht werden.
Aber vorstellen konnte ich mir das nicht. Vorher würde ich die Angstkrankheit loswerden müssen. Ich würde lernen müssen, normal zu atmen. Ich müsste verhindern, dass nicht ich von meinem ehemaligen Verlobten wie ein weißes Hochzeitskleid in einen Baum geworfen wurde, um dort zu sterben.
»Das werden sie gerne hören«, fuhr Dean fort. »Das weiß ich genau.«
Ich würde das auch gerne hören. »Und was ist mit der Party?«
»Was soll damit sein?«
Ich holte tief Luft, und das Lächeln, das ich in Deans Nähe einfach nicht kontrollieren konnte, zog meine Mundwinkel nach oben. »Ich soll nochmal fragen, hm?«
»Ja, das hätte ich gerne.«
Wieder atmete ich durch, musste aber lachen. »Dean Garrett, würdest du mit mir zu Lydias Geburtstagsfeier gehen?«
»Ja, gerne.«
»Gut«, sagte ich. Ich hatte kaum noch Luft zum Atmen, aber war so glücklich, dass ich ganz aufgeregt war. »Sehr gut. Danke.«
»Gern geschehen. Und noch was, Julia! Ja, ich will.«
»Was?« Der Mann brachte mich aus der Fassung. Oft verstand ich einfach nicht, wovon er sprach.
»Ja. Ich will.« Er hielt inne. »Ich übe nur schon mal.«
Mein ehemaliges weißes Hochzeitskleid flatterte wie ein Geist durch meinen Kopf, aber ich verscheuchte den Gedanken schnell. Wenn ich jemals wieder heiraten würde, heiraten sollte, würde ich Rot tragen. Strahlendes, fröhliches, befreiendes, kühnes Rot.
Eigentlich war es unvorstellbar, dass so viele Menschen die Geburtstagsfeier für Tante Lydia tatsächlich geheim hielten. Aber Wunder geschehen, und die Stadt Golden war in jener Woche Zeuge eines solchen. Tante Lydia hatte nicht die geringste Ahnung von ihrer Überraschungsparty.
Alle anderen waren total aufgeregt, besonders was die Geschenke anging. Stash, Dave, Marie, Scrambler, Katie, Caroline und ich hatten Wert darauf gelegt, jeden persönlich anzurufen und einzuladen. Wir baten alle, etwas zu essen mitzubringen. Anstelle von Geschenken.
Aber keiner hörte auf uns.
Als Stash und Dave zum Spirituosengeschäft fuhren, um mit Pat Haines über das Bier für die Feier zu sprechen, ließ er
sie kaum wieder gehen. Pat ist groß und dünn und trägt eine rahmenlose Brille. Er leitet den Literaturzirkel von Golden. Die Frauen lieben ihn, weil er sich verhält, als sei er eine von ihnen. Er verkauft zwar Bier und Spirituosen, ist aber ein großer Weinkenner und war der Meinung, eine besondere Flasche Wein für Lydia wäre das perfekte Geschenk.
»Ich habe noch einen Riesling im Keller, mindestens zehn Jahre alt, den bringe ich Lydia mit.« Pat legte die Hand aufs Herz. »Nein, ich hab’s mir anders überlegt. Nicht den Riesling.« Voller Konzentration verzog er das Gesicht. Die Brille hob sich ein wenig von der Nase. »Ich habe einen zwölf Jahre alten Pinot Noir. Der ist viel besser, die Ernte in dem Jahr war phänomenal. Nein! Ich weiß noch was Besseres.« Wieder verzog er das Gesicht. »Ich schenke ihr den Riesling von 1972 . Ein unglaublicher Wein, der allerbeste! Nein, der ist es nicht, der ist es einfach nicht.« Er legte die Hand auf die Nasenwurzel, in Gedanken versunken. »Ich nehme den Chardonnay … ach, nein! Ich habe doch noch einen viel besseren, wieso habe ich das vergessen?«, stöhnte er.
Stash erzählte später, als er und Dave gingen, sei Pat absolut aufgelöst gewesen, hätte sich den Kopf darüber zerbrochen, was denn nun der allerbeste Wein für die beste Pokerspielerin im Westen sein würde.
Als ich am nächsten Tag in die Stadt fuhr, wurde auch ich angesprochen.
»Meinst du, sie würde sich über eine Marmelade von mir freuen?«, fragte Becky Pines, eine große dünne Frau mit drei
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