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Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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Laufenden, die endlich wieder lachen konnten.
    Hin und wieder kam Jerry vorbei und brachte ein Geschenk für Tante Lydia mit. Die Operation hatte sie stärker mitgenommen, als wir erwartet hatten. Jerry bemühte sich, die Fassung zu bewahren, aber oft brach er einfach zusammen und weinte.
     
    Shawn und Carrie Lynn fragten nicht oft nach ihrer Mutter. Den Namen ihres Freundes erwähnten sie nie. Aber wenn sie nach ihr fragten, sagten wir ihnen die Wahrheit – zumindest so weit, wie Kinder damit umgehen konnten.
    Wir erklärten ihnen ganz vorsichtig, dass sie nicht wieder bei ihrer Mutter leben würden. Das wussten wir mit Sicherheit, weil die Mutter (ebenso wie der Freund) eine Haftstrafe würden absitzen müssen. Nicht nur wegen gemeinschaftlich begangener Kindesmisshandlung im Drogenrausch, sondern weil sie an jenem Wochenende ein Spirituosengeschäft mit einer Waffe überfallen hatten. Sie hatten auf den Inhaber und den Verkäufer geschossen, sie aber glücklicherweise nicht getötet.
    Das war es dann gewesen für ihre Mutter.
    Shawn und Carrie Lynn sahen traurig und verloren aus. Sie taten mir leid. Auch meine Mutter hatte mich misshandelt und missachtet, und trotzdem hatten wir alle etwas in uns, das von der Mutter geliebt und geschützt werden wollte.
    »Was ist mit … mit …?«, fragte Shawn mit bebender Stimme.
    Wir wussten, von wem er sprach.
    »Der Freund eurer Mutter muss ganz, ganz lange ins Gefängnis«, erklärte Tante Lydia. »Wenn er wieder herauskommt, seid ihr beiden schon groß.«
    Die Kinder nickten wortlos.
    »Habt ihr noch mehr Fragen?«, erkundigte ich mich und nahm sie in den Arm.
    Kurz verharrten beide still, dann schüttelten sie den Kopf. Carrie Lynn zog sich eine Weile die Decke über den Kopf, doch kurz darauf lehnte sie sich gegen Tante Lydia und zupfte die Decke wieder herunter.
    Wir beschlossen, draußen im Garten die letzten Tomaten zu pflücken, da es langsam empfindlich kühl wurde.
    Später am Abend fanden Tante Lydia und ich die Kinder in Carrie Lynns Bett inmitten ihrer Stofftiere. Carrie Lynn hatte den Daumen im Mund und starrte vor sich hin. Shawn hatte den Arm um sie gelegt und wiegte sich vor und zurück. Alphy leckte abwechselnd Shawn und Carrie Lynn durchs Gesicht und winselte dabei.
    Ich kuschelte mich zu den Kindern. Ihre kleinen Körper zitterten. So fand uns Stash nach einem arbeitsreichen Tag auf seiner Ranch vor. Sofort bestellte er Pizza für alle. Wir luden Katie mit ihren Kindern zu einer Pyjama-Pizza-Party ein. Auch Scrambler kam.
    Nach der Pizza holte ich meine Schokolade.
    Dann sah ich zu, wie die Liebe, die diese Kinder umgab, langsam den Schrecken vertrieb.
    Der Krebs war durch die Bestrahlung geschrumpft. Es wurde Zeit für Dr.Sonnenstrahl, ihn herauszuschneiden. Anschließend erklärte er die Operation zu einem vollen Erfolg.
    Weiter ging es mit Chemotherapie.
    Wie jeder weiß, soll Chemotherapie den Krebs abtöten. Leider tötet sie auch alles andere ab. Irgendwann in ferner Zukunft wird man die heutige Chemotherapie für unmenschlich und barbarisch halten, aber momentan gibt es halt nichts anderes. Tante Lydia hatte keine andere Wahl, und so erklärte sie sich unter dem wachsamen Auge von Dr.Sonnenstrahl einverstanden, sich der Therapie zu unterziehen. Bei ihr hieß sie »Scheiß-Chemo«.
    »Ich werde den Krebs besiegen, Julia, und ich lasse mich nicht von dieser Scheiß-Chemo fertigmachen! Pass mal auf! Guck dir das gut an!«
    Etwas anderes blieb mir gar nicht übrig.
     
    Am dritten Tag nach Beginn der Chemotherapie kam Tante Lydia nicht mehr aus dem Bett. Sie war zu müde, zu krank. »Die Scheiß-Chemo macht mich müde«, erklärte sie mir schwach, bevor ich ihr etwas Saft einflößte. »Aber ich kämpfe wie eine Verrückte, wie eine Wilde. Wenn ich wieder kann, dann versohle ich der Scheiß-Chemo so richtig den Hintern. Ich werde den Tag beklagen, als sie mich ans Bett fesselte und mir alle Energie aus den Knochen saugte, oh, wie werde ich ihn beklagen!«
    Dann schlief sie wieder ein.
    Sie hatte eh keinen Grund aufzustehen. Wir wurden mit Hilfsangeboten bombardiert. Viele brachten uns Essen, Stash musste einen neuen Kühlschrank für Tante Lydias Garage kaufen, um alles unterzubringen. Die Hühner wurden gefüttert, das Haus wurde geputzt, das Auto von einem ihrer Ex-Poker-Kumpel gewaschen und zum Wachsen in die Stadt gebracht. Ein anderer ehemaliger Poker-Kumpel reparierte Lydias Zäune.
Jemand anders schrubbte die Toiletten im Vorgarten ordentlich

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