Spiel mir das Lied vom Glück
ab und bepflanzte sie mit Chrysanthemen.
Als Tante Lydia am vierten Tag wieder gehen konnte, sah sie mehrere Personen in ihrem Garten, die Unkraut jäteten, Herbstlaub zusammenrechten und Bäume beschnitten. Sie trat auf die Veranda und rief: »Ihr bringt die Frau in mir zum Weinen!« Dann setzte sie sich hin und tat genau das. Als sie fertig war, kamen alle hoch, tranken heiße Schokolade und aßen Plätzchen – die natürlich auch jemand bei uns abgegeben hatte.
Lydia sagte, die Scheiß-Chemo habe Angst vorm Lachen, deshalb sollten wir den ganzen Nachmittag lang lachen. Wir gehorchten gerne. Dabei half der hochprozentige Scotch, den Stash mitbrachte.
Wenn Tante Lydia sich einigermaßen wohl fühlte, stand sie direkt wieder im Hof. Sie hatte nichts übrig für Mützen oder Perücken, nur an den kälteren Herbsttagen setzte sie etwas auf. »Perücken jucken. Außerdem sehe ich damit aus, als hätte ich eine tote Katze auf dem Kopf. Unter Hüten wird mir zu heiß. Ich habe eine Glatze, weil ich gegen den Krebs und die Scheiß-Chemo kämpfe, und darauf bin ich stolz. Das muss ich nicht verstecken.«
Als Tante Lydia an einem verschneiten Abend im Dezember früh zu Bett ging, erinnerten Dave und Marie im Flüsterton Stash, Scrambler, Katie, Caroline, den oft zu uns flüchtenden Jerry und mich daran, dass Tante Lydias Geburtstag näher rücke. Ich war davon ausgegangen, dass wir eine kleine Feier organisieren würden.
Stash hatte es vollkommen vergessen. Ihn beschäftigte Lydias Krankheit zu sehr, um irgendetwas zu planen. Er schaffte es so gerade, morgens aufzustehen, den ganzen Tag dafür zu sorgen, dass Lydia alles Notwendige hatte, und dann abends ins Bett zu wanken, um immer bereit zu sein und aufzustehen, falls seine Freundin in den frühen Morgenstunden etwas benötigte.
Dave fand, wir sollten eine große Überraschungsparty geben. Je länger wir darüber sprachen, desto besser gefiel uns der Vorschlag. Tante Lydia feierte so gerne.
»Wir feiern in der Scheune«, sagte Stash mit tiefer, rauer Stimme. »Woanders bekommen wir die ganzen Leute gar nicht unter.«
»Ich würde mich gerne um die Musik kümmern«, sagte Scrambler mit seiner wohlklingenden Stimme.
Alle schauten ihn ungläubig an.
»Du willst dich um die Musik kümmern? Du meinst, du hast CDs, die wir auflegen können und so?«, hakte Stash nach.
»So ähnlich«, erwiderte Scrambler und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. »Ich sorge dafür, dass wir eine angemessene Musikauswahl für Lydia haben, Musik, die ihr gefällt. Ich mache mich sofort an die Vorbereitungen.« Und da er ein Mann von wenigen Worten war, lächelte er uns alle an, nickte langsam und zwinkerte Katie zu. Dann schloss er leise die Tür hinter sich.
»Gut. Abgemacht!« Stash sah sich um und kratzte sich am Bart. Er sah so erschöpft aus. Erschöpft, aber trotzdem aufgeregt. »Scrambler kümmert sich um die Musik. Zum Essen besorge ich Steaks für alle.«
Da so viele Gäste kommen würden, schlug ich vor, dass jeder etwas mitbrachte. Beispielsweise sein Lieblingsgericht. Ich würde so viel von Tante Lydias Schokoladenkuchen machen, dass er für alle reichte. Ich nahm mir vor, mit Sylvia von der Bäckerei zu sprechen und sie zu fragen, ob ich im Austausch gegen meine Schokolade eine Zeitlang in ihrer Küche wirken könne.
Katie wollte sich um die Dekoration kümmern. Wir wollten einen altmodischen Scheunentanz veranstalten, komplett mit Heuballen und einer Bühne, die Stashs Mitarbeiter eigens anfertigen wollten. Das Essen würde auf langen Tischen stehen.
»Ich sorge für die Mitbringsel«, sagte Caroline.
Alle schauten sie an. Wir erwarteten rund fünfhundert Gäste. »Mitbringsel? Das wird richtig teuer, Caroline«, sagte ich in Gedanken an ihre Rabattmarken.
»Keine Sorge! Ich kümmere mich drum.« Sie nickte mit ruhigem Gesicht. Ihre Augenlider zwinkerten nicht. »Das möchte ich so gerne tun.«
Ich wollte etwas sagen, hielt mich aber zurück. Die sparsame Caroline, die vom Hellsehen, von selbstgebackenem Brot, von ihrem auf dem Bauernmarkt verkauften Obst und Gemüse lebte, wollte die Kosten für die Mitbringsel auf sich nehmen?
Ja, wollte sie.
Es war abgemacht.
Dean war zur Arbeit in Portland. Am Abend nahm ich all meinen Mut zusammen und rief ihn im Büro an. Es hatte keine leidenschaftlichen Episoden mehr gegeben, wenn er am Wochenende in Golden gewesen war. Er hatte nicht einmal mehr versucht, mich zu küssen. Aber daraus konnte ich ihm keinen Vorwurf
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