Spiel mir das Lied vom Glück
an, von vorne!«
Ich versuchte, nicht zu lachen, als Lara den Salzstreuer hin und her bewegte, aber innerlich bebte ich. Jeden Moment würde ich laut losprusten.
»So, Lara, und jetzt mach das Geräusch einer Klapper!« Lydia schwang die Fäuste in die Luft. »Eine riesige Klapper!«
»Meinst du eine Klapperschlange?«, fragte Lara.
»Ja, allerdings!«, rief Lydia mit wehenden Zöpfen. »Eine Klapperschlange verschlingt andere Tiere im Ganzen. Sie ist wild und hat einen starken Magen. Sie ist unabhängig. Sie tut, was sie will. Sie spritzt Gift. Du musst mehr sein wie sie, Lara! Eine Klapperschlange!«
»Hört sich gut an. Ich kenne ja diese gerissene Schlange bei Adam und Eva«, sagte Lara und machte dann ein klapperndes Geräusch. Ich war beeindruckt. Sie klang wirklich wie eine Klapperschlange.
Katie machte das Geräusch sich brechender Wellen, Lara das einer Klapperschlange. Zusammen klangen sie nicht schlecht.
»Caroline, nimm die Blumen da in der Vase und winde die Stängel zusammen, ganz einfach. Und wenn du eine lange Blumenkette hast, bindest du sie dir um die Taille und lässt sie auf deine Muschi fallen.«
»Ich mache mir also einen Blumengürtel?«, fragte Caroline.
»Nein, keinen Blumengürtel«, widersprach Lydia. »Einen Blumenvibrator! Auch wenn du eine gesunde Beziehung zu deiner Muschi hast, Caroline, brauchst du ein wenig Lust am Leben, heiße, glühende, leidenschaftliche Lust, also bekommst du einen Blumenvibrator! Und wenn du die Stängel verbindest, machst du dabei so ein Geräusch.« Tante Lydia summte vor sich hin.
»Eine Biene? Ich soll summen wie eine Biene?«
»Ja, wie ein fleißiges kleines Bienchen!«
»Das ist also ein summender Vibrator?« Caroline grinste. Sie war für alles zu haben.
»Das ist ein Vibrator der Leidenschaft. Die summenden Bienen stehen für deine zum Leben erwachende Lust, für deine Leidenschaft.«
Bald gesellte sich das Geräusch des summenden Vibrators zu dem der Klapperschlange und der sich brechenden Wellen.
Ich lachte. Ich konnte nicht anders. Lydias scharfer Blick brachte mich jedoch schnell zum Schweigen.
»Ich bin empört über dich!«, schimpfte sie, und kein Lächeln erhellte ihre Züge. »Du lachst über unsere Heilung? Gerade du, die selbst so viel Heilung nötig hat!« Ihr Gesicht wurde weicher. »Das hier ist für dich, Julia!« Sie nahm einen Salatteller und zwei Gabeln. »Leg den Teller auf deine kleine Blume.«
»Was?«
»Leg diesen Teller auf deine kleine Blume! Nein, nicht so, dreh ihn um, auf den Kopf.«
Wieder wallte Lachen in mir auf. Na gut. Ich legte den Teller zwischen meine Beine.
»Jetzt nimm die hier!« Sie reichte mir eine Gabel und ein Messer. »Schlag damit auf den Teller, aber so, dass es deine kleine Blume auch hört.«
»Wie bitte?«
»Du bist ein Trommler, Julia! Der Teller ist deine Trommel, Messer und Gabel sind die Trommelstöcke. Du musst den Schmerz aus deinem Inneren trommeln, die Verletzungen aus der Seele deines Frauseins schlagen, das Schlechte aus der Erinnerung deiner Scheide verbannen! Du musst einen Neuanfang wagen, aber zuerst musst du die Erinnerungen loswerden, die deine Scheide zur Gefangenen gemacht haben, die sie in einem Teufelskreis der Angst gefangen halten. Hol die Qualen und die Verzweiflung hervor und dann erlaube deiner Muschi, ein neues, sicheres, liebevolles Leben zu führen, meine Julia!«
Langsam fand ich Gefallen an der Vorstellung. Ich erkannte durchaus, dass ich geheilt werden musste. Wenn Tafelsilber und ein Teller dabei helfen konnten, war ich dabei.
Ich schloss die Augen und trommelte langsam mit der Gabel
auf den Teller. Bald vergaß ich das Summen, die Wellen und die Klapperschlange. Es klickerte hohl.
Verzweifelt wollte ich all die Erinnerungen an die Freunde meiner Mutter loswerden, die Erinnerungen an all die Begebenheiten, wenn meine Mutter mich oder, wie Tante Lydia sagen würde, »meine kleine Blume« nicht geschützt hatte. Eine Welle der Wut stieg in mir hoch, aber ich erstickte sie, wie immer.
Schon vor langer Zeit war ich zu dem Schluss gekommen, dass es zu nichts führte, auf meine Mutter und meine Kindheit wütend zu sein oder mich in der schmerzenden Einsamkeit zu suhlen, die mir allzeit aufzulauern schien wie ein dunkles Phantom.
Doch all das zu wissen half überhaupt nicht. Es hielt das dunkle Phantom nicht davon ab, sich um mich zu winden und zu unvorhersagbaren Zeiten die Einsamkeit und den vernichtenden Schmerz an die Oberfläche zu drücken. Es waren
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