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Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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die Momente, in denen ich kaum atmen konnte und den Kopf zwischen die Knie nehmen und warten musste, bis das Zittern mich nicht mehr durchschüttelte wie einen Sack voller Gebeine.
    Seit Jahren hatte ich nicht mehr mit meiner Mutter gesprochen. Dass sie mit ihrem neuesten Freund nach Minnesota gezogen war, wusste ich nur, weil sie mir eine Karte geschickt hatte: »Ziehe mit Blakely nach Minnesota. Hoffe, du hast abgenommen.«
    In den letzten Jahren hatte ich oft nicht gewusst, wo sie sich aufhielt. In der Hoffnung, dass sie sich irgendwann melden würde, behielt ich meine alte Handynummer. Die Erkenntnis, immer noch etwas für sie zu empfinden, führte dazu, dass ich am liebsten geheult und mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen hätte. Natürlich rief sie niemals an. Eines Tages nahm ich das Handy Stück für Stück auseinander und schlug mit einem Hammer darauf, bis es völlig kaputt war.
    Als ich das Telefon zerstörte, verabschiedete ich mich innerlich von meiner Mutter.
    Deshalb tat ich, was Tante Lydia, die Frau mit den Riesenschweinen im Vorgarten, mit der schwarzen Tür zum Schutz vor fiesen Männern und dem Marihuana im Keller, mich tun hieß: Ich schlug mit dem Messer auf den Teller und lauschte dem klackernden Geräusch. Ich dachte an Robert. Ich dachte an all die Begebenheiten, als er dafür gesorgt hatte, dass ich mich armselig und dick fühlte. Selbst an meinem Schamhaar hatte er etwas auszusetzen gehabt: »Du siehst aus wie ein Affe, Pferdchen. Kannst du dir diesen Busch nicht mal rasieren? Mein Gott, darin könnte man sich ja verheddern – richtig schlimm!«
    Ich dachte an all die Male, wenn er mich geschlagen, niedergemacht oder mich beschuldigt hatte, ihn zu betrügen. Wenn er anderen die Schuld an seinen Problemen gab, die dann meine Probleme wurden.
    Und dennoch war ich bei ihm geblieben. Das sagte nicht viel Gutes über mich.
    Ich trommelte schneller, jetzt mit Messer und Gabel. Das Meeresrauschen, die Klapperschlange und das Bienensummen hielten Schritt.
    Ich dachte an Liebesfilme. Ich dachte daran, wie einfühlsam, leidenschaftlich und liebevoll Männer sein konnten. Ich dachte an lachende Familien im Fernsehen.
    Und trommelte weiter.
    Dann dachte ich an Dean. An seine freundlichen Augen, seine großen Hände, seine gewaltigen Schultern. An sein Lächeln.
    Ich hörte auf zu trommeln. Eine herrliche Minute lang erlaubte ich mir, Dean zu spüren, gönnte ich mir, seine blauen Augen, seine wettergegerbte Haut zu sehen, das polternde Lachen, seine tiefe Stimme zu hören. Ich erlaubte mir die Hoffnung, dass Männer mir nicht für alle Zeit eine Heidenangst
einjagen würden. Ich kannte Dean gar nicht richtig, hatte nur einen Tag mit ihm verbracht, aber er stand für das, was ich, wie ich hoffte, eines Tages haben würde, wenn ich nicht mehr darauf versteift war, mich völlig von Männern fernzuhalten: eine liebevolle Partnerschaft.
    Mitten im Schwung hörten die Wellen auf, sich zu brechen. Die Klapperschlange verstummte, einstweilen beruhigt. Der summende Vibrator schwieg.
    Wieder sah ich Dean. Er lächelte mich an, und ich lächelte zurück. Erneut griff ich zu Messer und Gabel und schlug einen ganz neuen Rhythmus, jetzt fröhlich und hoffnungsvoll.
    Die Wellen, die Schlange und der Vibrator fielen mit ein, und Tante Lydia stand auf und tanzte um den Tisch. Ihre grauen Zöpfe flogen in alle Richtungen, und ihr kleiner Po wackelte wie ein Schwarm fröhlicher weißer Schmetterlinge.
     
    Nachdem Katie die Erdbeeren von ihrer kleinen Blume genommen und Lara den Salzstreuer zur Seite gestellt hatte, nachdem Caroline ihren Blumenvibrator auf den Tisch gelegt und ich aufgehört hatte, mit Messer und Gabel auf den Teller zu trommeln, machten wir es uns auf dem Boden bequem, um meine Schokoladentorte zu essen. Unsere Knie berührten sich.
    »Diese Torte ist besser als Sex«, murmelte Lara.
    »Meine Julia macht die beste Schokoladentorte der Welt«, sagte Tante Lydia und zündete noch mehr Kerzen an. »Sie hat viele Talente, aber dieses entspringt dem Quell ihrer Weiblichkeit. Bei allem, was sie mit Schokolade macht, kann man ihre süße, liebevolle Seele schmecken, aber hallo!«
    Meine Seele schmecken, das hörte sich ein bisschen abgefahren an, aber ich nickte trotzdem. Das war halt Tante Lydias Art zu reden.
    Katie sagte nichts, sondern schloss einfach die Augen, ließ sich in die Couch sinken und stöhnte glücklich.
    Caroline war schon beim dritten Stück. Dünne Menschen essen immer wie

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