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Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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Gemälde arbeitete ein nackter Mann im Garten, umgeben von Maisstauden. Auf dem dritten lagen drei Frauen mittleren Alters auf einem Quilt, hatten Rosen in der Hand und selbstgeflochtene Kränze auf dem Kopf. Sie lächelten sich an. »Kannst du dir vorstellen, was hier los ist, wenn die Leute so was sehen?«
    Ja, konnte ich. Kleinstädte waren nicht gerade berühmt für ihre Aufgeschlossenheit. Aber diese Bilder waren so lebendig, so eindrucksvoll.
    »Mein Mann ist Priester.« Lara stellte das Bild mit den drei Frauen ab und zog eines hervor, auf dem ein lachendes Pärchen nackt und eng umschlungen auf einem Bett von Ringelblumen lag. »Er leitet diese Gemeinde. Ich mache den Unterricht in der Sonntagsschule, arbeite halbtags als Gemeindesekretärin, leite dienstags abends die Chorprobe. Und ich kann dir sagen, das ist eine richtig langweilige Chorprobe. Manchmal denke ich, ich schlafe mitten im Dirigieren ein.«
Sie ließ die Schultern nach vorne fallen. »Diese Bilder kann ich unmöglich jemandem zeigen. Dabei denke ich noch nicht mal daran, wie mein Vater reagieren würde. Großer Gott! Er würde wahrscheinlich mitten im Wohnzimmer ein Zelt aufschlagen und meinen Mann und mich einsperren, bis wir verhungern.«
    Ich löste mich von den Bildern und dachte darüber nach. Das schien tatsächlich im Bereich des Möglichen zu liegen. Ich stellte mir vor, wie ich durch den Kamin kroch, um Lara etwas zu essen zu bringen.
    »Nein. Diese Bilder kann ich wirklich niemandem zeigen.« Sie warf einen Pinsel gegen die Wand. Sie nahm den nächsten, dann noch einen. Als sie nach einem Wasserglas griff, fiel ich ihr in den Arm.
    Trockene Pinsel richteten nicht viel Schaden an, aber ich konnte nicht zulassen, dass schmutziges Malwasser sich über ihre Bilder ergoss.
    Ich legte Lara einen Arm um die Taille, den anderen auf ihren Arm, der in der Luft schwebte. Wasser schwappte aus dem Glas. Lara war unglaublich dünn, nur noch Haut und Knochen. Sie war blass und traurig.
    »Ich drehe bald durch, Julia.« Sie ließ das Wasserglas fallen, es zerschellte. Unsere Beine wurden nass.
    Ich drehte sie zu mir um und nahm sie in den Arm. Sie schluchzte an meiner Schulter. Ich konnte ihre Knochen spüren.
    »Ich drehe durch, Julia. Wenn ich morgens aufwache, knirsche ich mit den Zähnen und frage mich, wie ich den Tag überstehen werde. Mein Pensum ist unglaublich. Oft habe ich von morgens sieben bis abends um zehn Uhr Gespräche. Alle brauchen mich, alle erwarten von mir, dass ich perfekt bin, dass ich auf alles eine Antwort habe, jedes Problem löse, die Seelen tröste, unablässig bete. Ich komme mir so verlogen vor! Ich versuche, Menschen einen Rat zu geben und sie in ihrem
Glauben zu bestärken, dabei weiß ich manchmal selbst nicht, ob ich noch an Gott glaube.«
    Sie löste sich von mir und raufte sich die Haare.
    »Wenn es einen Gott gibt, ist er entweder machtlos oder gleichgültig. Siehst du die Nachrichten? Tag für Tag leiden Millionen von Menschen, sie leiden furchtbar. Wie soll ich an so ein Wesen glauben? Und die ganze Zeit höre ich die Worte meines Vaters.« Sie senkte die Stimme. »›Die Hölle wartet auf dich, Lara, wenn du nicht täglich standhaft bist in deinem Glauben! Der Herr kennt dein ungläubiges Herz, er kennt deine zahllosen Sünden! Du musst bereuen und den Herrn in dein Herz lassen, bevor der Teufel von deiner Seele Besitz ergreift.‹ Und dann höre ich die Bedürfnisse der Menschen um mich herum. Die ganze Zeit. Herrgott, ich versuche es, aber es ist nie genug.
Ich
bin nie genug.«
    Ich ließ mich auf einen Hocker sinken und dachte über ihre Worte nach:
Ich bin nie genug
. Genau so fühlte auch ich mich. Ohne Vater aufzuwachsen, dafür mit einer Mutter, die mich hasste, und mit einer Reihe ihrer Freunde oder Männer, die mich entweder ignorierten oder kritisierten oder in mein Bett krochen, sobald meine Mutter das Haus verließ, all das hatte meine Selbstachtung nicht gerade gefördert.
    Robert hatte mein Gefühl, nicht zu genügen, nur verstärkt, indem er mir wieder und wieder sagte, ich könne froh sein, dass er sich für mich interessiere, dass er mich überhaupt beachte. »Ich bringe es dir bei, Kröte. Keine Angst. Deine Proletenvergangenheit bist du bald los. Du musst nur auf mich hören. Verstanden, Kröte? Kapiert? Jetzt bist du ein Nichts, erst als meine Frau wirst du etwas sein.«
    Ich distanzierte mich gedanklich von Robert. An ihn zu denken löste immer die Symptome der Angstkrankheit aus. Und wenn

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