Spiel mir das Lied vom Wind
hatten in Köln nichts herausgefunden, was Wesseling und Sonja nicht schon wussten.
Im Herzen der Altstadt von Köln, im Vereinsbüro von Hansen und Steinbrecher, sei Brummer ganz übel geworden vor lauter Patriotismus und Selbstgerechtigkeit. Die beiden Herren hätten von einer fünfstelligen Summe gesprochen, die Krux ihnen schuldete, eine Summe, die sie selbst verdächtig erscheinen ließ. Als Nächstes würden die Bücher des Vereins geprüft.
In Melindas Wohnung soll Klein-Bruno während des Gesprächs aus Leibeskräften geplärrt haben. Neugebauer sei mit den Nerven am Ende.
Und alles umsonst. Alle drei Verdächtigen hatten für die fragliche Zeit Alibis, die sich ziemlich hieb-und stichfest anhörten, aber noch überprüft werden müssten. Melinda und Bruno waren zu Besuch bei der Oma im Bergischen. Hansen und Steinbrecher auf einer einwöchigen Tagung im Norddeutschen.
Nach Krux' Tod konnten seine edlen Freunde ihre Geldforderungen für immer begraben, meinte Wesseling, und auch Melindas Unterhaltsforderungen verliefen nun im Sande. Kamen sie trotzdem als Mörder infrage? Die Frage
Cui bono
müsste in diesen drei Fällen entschieden verneint werden.
Wesseling war außer Puste nach dem langen Vortrag, den er ungewöhnlich schnell gehalten hatte.
Anschließend gab er die Kommandos für den nächsten Tag durch. Er wollte, dass Sonja Sebastian Böhm und Ruben Graf für den nächsten Tag, den 26. August, Punkt 12 Uhr Mittag ins KK Euskirchen bestellte. Neugebauer und Brummer sollten sie verhören und ihre Fingerspuren mit denen in Reiners’ Auto vergleichen.
»Ach ja, und die von Jessica natürlich auch«, erinnerte er sich.
»Und was wird aus mir?«, fragte Sonja.
»Du fährst nach Rotterdam zu van Kessel.«
Es verschlug ihr die Sprache.
»Willst du nicht wissen, warum?«
»Nein.«
»Erstens«, sprach er unbeirrt weiter, »habe ich beschlossen, von nun an das Personal gleichmäßig auf die beiden Fälle zu verteilen, um eine zu starke Involvierung zu vermeiden.«
He? Personal? Involvierung? Was war ihm zu Kopfe gestiegen? »Wie soll ich nach Rotterdam kommen. Ich habe kein Auto mehr, wie du weißt.«
»Und zweitens, habe ich uns bereits angekündigt.«
Klick. Ende. Aus.
Uns?
Musste das sein? Eine Luftveränderung könnte nicht schaden, dachte Sonja. Wehte in den Niederlanden nicht immer ein Wind vom Meer? Aber Johan van Kessel in Anwesenheit von Wesseling noch einmal gegenüberzustehen, fand sie nicht verlockend. Stundenlang neben Wesseling in einem Auto zu sitzen und ein bestimmtes Thema bemüht zu vermeiden, erst recht nicht.
Peter Reiners‘ Foto im Telefonat zu erwähnen, hatten beide glatt vergessen. Die Kommissarin hatte das Objekt an einen dunklen Ort verbannt.
Die Truhe der Tränen
. Dort lag es gut und konnte keine Gedankenströme in Gang setzen. Und der Oberstaatsanwalt war wohl durch die Frage nach dem 1. FC Köln ein wenig abgelenkt worden. Weil er ein Aachener war.
13. Kapitel
Helene Dederich betrat das Schlafzimmer. Ein Eckzimmer im ersten Stock ihres Bauernhauses auf der Heidestraße in Schleiden-Morsbach. Links neben der Tür befanden sich zwei Lichtschalter. Einer gehörte zum vorderen Zimmerteil. Sie musste ihn mit dem Ellenbogen betätigen, denn sie trug einen Wäschestapel in den Händen. Sie legte die Wäsche auf eine Kommode und öffnete den Schrank, der für ihren Mann Erwin vorgesehen war. Sie war eine ordentliche Frau. Niemals würde sie seine Wäsche mit ihrer zusammen in einen Schrank legen. Auch fand sie, dass trotz aller Waschmittel, Weichspüler und Wäschestärke Erwins Sachen immer noch nach Erwin rochen. Sie bekam den Geruch einfach nicht heraus.
Sorgsam legte sie die gefalteten Unterhosen unter den Unterhosenstapel und die gefalteten Unterhemden unter den Unterhemdenstapel, damit Erwin alles gleichmäßig abnutzte, denn er bediente sich immer von oben weg. Er wollte nicht, dass sie ihm die Wäsche herauslegte. Das habe seine Mutter immer getan. Sie habe auch bestimmt, welches Hemd und welche Hose er tragen sollte, als er noch bei ihr wohnte. Das war lange her, aber es musste ein traumatisches Erlebnis für Erwin gewesen sein.
Die Socken untersuchte Helene zuerst nach Löchern, ehe sie sie zu einem Paar aufrollte und ganz hinten in das Sockenfach stopfte. Dabei fiel eine einzelne Socke, die ganz vorne gelegen hatte, weil sie ohne Partner war, auf den Boden.
Helene bückte sich mit gespreizten Beinen und durchgedrückten Knien, um sie aufzuheben, und
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