Spiel mit dem Mörder
»Bitte, Sie müssen mir erzählen, wer sonst noch alles Mitglied des Ensembles war.«
»Eliza Rothchild.«
»Aber ja! Eine wunderbare Frau. So würdevoll und streng. Sie konnte Richard nicht ausstehen. Natürlich war sie nicht sein Typ, und er hat sich nicht die Mühe gemacht, das vor irgendjemand zu verbergen. Ja, es ist wirklich faszinierend. So viele Geister der Vergangenheit bewegen sich wie Schatten auf der Bühne. Und Richard stand im Mittelpunkt, so wie es ihm gefiel.
Ich selbst gehe nur noch äußerst selten ins Theater, aber wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mir wahrscheinlich eine Karte für den Abend besorgt. Ja, ich hätte ganz bestimmt dafür bezahlt, seine letzte Aufführung zu sehen.«
»Sie hatten in den letzten vierundzwanzig Jahren zu keinem dieser Menschen den mindesten Kontakt?«
»Wie ich bereits sagte, außer zu Kenneth, nein. Mir ist klar, dass Kenneth Ihnen gegenüber behauptet hat, er hätte mich bereits seit Jahren nicht mehr gesprochen oder gesehen und hätte keine Ahnung, wo ich zu finden bin. Diese Lüge hat er Ihnen meinetwegen aufgetischt. Und nun, da Sie mir erzählt haben, wer sonst noch alles an der Sache beteiligt ist, wird mir auch klar, warum. Bestimmt hatte er Angst, die Geister der Vergangenheit brächten mich erneut aus dem Gleichgewicht. Aber ich versichere Ihnen und werde auch ihm versichern, dass das nicht der Fall ist.«
»Hat er Ihnen erzählt, dass Richard Draco und Carly Landsdowne ein Verhältnis miteinander hatten?«
Die Tasse Schokolade hielt auf halbem Weg zu ihren Lippen an. Ohne Eve aus den Augen zu lassen, stellte Anja sie vorsichtig zurück auf den Tisch. »Was sagen Sie da?«
»Dass Ihr ehemaliger Geliebter und das Kind, das er mit Ihnen gezeugt hat, miteinander intim gewesen sind. Sie hatten ein Verhältnis, das erst kurz vor seinem Tod geendet hat.«
»Heilige Mutter Gottes.« Anja schloss die Augen. »Ist dies die Strafe für eine kleine Sünde, die vor vielen Jahren von mir begangen worden ist? Jetzt haben Sie mich komplett aus dem Gleichgewicht gebracht, Lieutenant.« Sie schlug die Augen wieder auf und bedachte Eve mit einem kalten Blick. »Falls das Ihre Absicht war, hatten Sie damit Erfolg. Sicher hat keiner der beiden etwas davon gewusst.«
Sie stand auf und trat ans Fenster.
»Sie ist jung. Ist sie auch attraktiv?«, fragte sie und schaute Eve über die Schultern hinweg an.
»Ja. Äußerst attraktiv.«
»Dann dürfte es ihm schwer gefallen sein, ihr zu widerstehen. Dann hat er sicher keinen Grund gesehen, ihr zu widerstehen. Und es ist ihm halt stets gelungen, die Frauen in sein Bett zu locken, an denen er Gefallen fand.«
»Vielleicht ist es ja auch andersherum gewesen. Vielleicht hat sie es ja gewusst.«
»Welche Frau schläft wohl freiwillig mit ihrem eigenen Vater?«, fuhr Anja sie zornig an. Sie ballte die Fäuste und wirbelte zitternd zu den beiden Polizistinnen herum. »Weshalb hätte sie es wissen sollen? Die Akte ist versiegelt.«
»Siegel können gebrochen werden«, erklärte Eve milde. »Die betroffenen Personen sind befugt, Einsicht in die Akte zu verlangen. Vielleicht war sie neugierig, vielleicht wollte sie wissen, wer ihre leiblichen Eltern sind.«
»Ich hätte eine Mitteilung erhalten, wenn ein solcher Antrag eingegangen und ihm stattgegeben worden wäre. Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass man mich darüber informiert.«
»Wenn Gesetze nicht regelmäßig übertreten würden, hätten ich und meine Assistentin keinen Job. Eventuell hat ja Draco selber Einsicht in die Unterlagen verlangt.«
Anja lachte böse auf. »Und zu welchem Zweck? Er hatte bereits damals nicht das mindeste Interesse an dem Kind, und es ist höchst unwahrscheinlich, dass er sich nach all den Jahren daran erinnert hat, dass er Vater einer Tochter ist.«
»Es gab eine ziemlich große Ähnlichkeit zwischen den beiden. Sie hatten den gleichen Teint, die gleichen Augen und das gleiche Kinn.«
»Tja.« Sie atmete tief durch, nickte und nahm wieder Platz. »Dann hat er in ihr womöglich sich selbst gesehen. Vielleicht«, murmelte sie und spielte abermals mit dem Knopf von ihrer Bluse. »Vielleicht. Dann hätte er sie aus reinem Narzissmus in sein Bett gelockt. Aber ob es so gewesen ist, kann ich nicht sagen. Ich weiß es einfach nicht. Richard ist mir im Verlauf der Jahre genauso fremd geworden wie die junge Frau, von der Sie mir erzählen. Ich kenne die beiden nicht.«
»Aber Kenneth Stiles hat sie beide gekannt.«
Vor Entsetzen stieg Anja
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