Spiel mit dem Mörder
presste eine Hand vor ihren Mund, als wollte sie bestimmte Worte daran hindern, aus ihr herauszubrechen, glitt dann mit ihren Fingern hinab zu ihrer Bluse, fing an, nervös mit einem Knopf zu spielen, und als sie endlich wieder etwas sagte, klang ihre Stimme deutlich rauer und weniger gelassen als zuvor.
»Oh, Kenneth. Vielleicht haben Sie Recht, Lieutenant. Vielleicht werden wir tatsächlich ein Leben lang von allem, was wir tun, verfolgt. Falls er etwas getan hat, hat er es, genau wie damals, eindeutig für mich getan.« Gerahmt vom grauen Himmel, wandte sie sich den beiden Frauen wieder zu. In ihren Augen schwammen Tränen, doch drängte sie sie, ehe sie ihr auf die Wangen tropfen konnten, entschieden wieder zurück. »Wird man mir erlauben, ihn zu sehen?«
»Wahrscheinlich. Ms Carvell, wusste Kenneth Stiles, dass Sie ein Kind von Richard Draco ausgetragen haben?«
Anja riss den Kopf zurück, als hätte Eve ihr einen Faustschlag mitten ins Gesicht verpasst. Sie lachte unsicher auf, riss sich dann jedoch zusammen und kehrte zurück zu ihrem Sitzplatz auf der Couch. »Ich sehe, Sie haben wirklich gründlich recherchiert. Ja, Kenneth hat es gewusst. Er hat mir geholfen, als ich in einer äußerst schwierigen Lage war.«
»Weiß er, dass dieses Kind Carly Landsdowne ist?«
»Er kann unmöglich wissen, welchen Namen das Kind von seinen Adoptiveltern bekommen hat. Die Akte wurde versiegelt. Niemand außer dem Notar, der die Adoptionspapiere aufgesetzt hat, wusste, wohin das Kind gekommen ist. Das ist schließlich der Sinn einer versiegelten Akte, Lieutenant. Aber was hat dieses Kind - nein, inzwischen ist sie eine junge Frau - mit all dem zu tun?«
»Sie haben also niemals Kontakt zu Carly Landsdowne aufgenommen?«
»Warum hätte ich das tun sollen? Ah, Sie denken, dass ich entweder eine Lügnerin oder aber total kaltherzig bin.«
Anja schenkte sich Kakao nach, hob die Tasse aber nicht an ihren Mund. Einziges Zeichen ihrer inneren Erregung war das ruhelose Trommeln der Finger ihrer rechten Hand an ihrem Hals.
»Ich glaube, ich bin weder das eine noch das andere«, stellte sie schließlich fest. »Als ich merkte, dass ich schwanger war, war ich sehr jung und grenzenlos verliebt. Ich hatte mich Richard Draco hingegeben. Er war für mich der allererste Mann. Er hat es genossen, dass er der Erste war. An Verhütung habe ich vor lauter Glück überhaupt nicht gedacht.«
Sie zuckte mit den Schultern und lehnte sich zurück. »Wie gesagt, ich war jung und grenzenlos verliebt, als ich merkte, dass ich von Richard schwanger war. Ich war selig, denn ich hatte die romantische Vorstellung, dass er mich heiraten würde, sobald er erführe, dass ich von ihm ein Kind bekam. Doch er hat dafür gesorgt, dass meine Freude schon bald abgrundtiefer Verzweiflung wich. Es gab keinen Streit, keine leidenschaftliche Auseinandersetzung, doch genauso wenig gab es die zärtlichen, liebevollen Worte und Versprechen, die ihm in freudiger Erwartung von mir ins Drehbuch geschrieben worden waren. Stattdessen sah er mich völlig desinteressiert, ja regelrecht gelangweilt an.«
Ihre Miene wurde hart, und ihre Hand glitt von ihrem Hals zurück in ihren Schoß. »Ich werde nie vergessen, wie er mich angesehen hat. Er meinte, das wäre mein Problem, und falls ich erwarten würde, dass er für die Abtreibung bezahlt, dächte ich besser noch mal nach. Natürlich bin ich in Tränen ausgebrochen und habe ihn angefleht, es sich noch mal zu überlegen. Daraufhin hat er mich mit einigen höchst unschönen Ausdrücken belegt, mir erklärt, meine sexuellen Fähigkeiten wären bestenfalls als mittelmäßig zu bezeichnen und er hätte nicht mehr das mindeste Interesse an jemandem wie mir. Dann ist er gegangen, und ich blieb schluchzend und auf den Knien allein im Raum zurück.«
Offenkundig gleichmütig nahm sie nun einen Schluck Kakao. »Ich hoffe, Sie verstehen, wenn ich nicht trauere, weil er ermordet worden ist. Er war das verabscheuungswürdigste Wesen, dem ich je begegnet bin. Unglücklicherweise habe ich das damals nicht rechtzeitig erkannt. Ich wusste, dass er Fehler hatte«, fuhr sie fort. »Aber mit dem wunderbaren, blinden Optimismus der Jugend hatte ich mir allen Ernstes eingebildet, ich könnte ihn ändern.«
»Und diesen Optimismus hat er Ihnen genommen.«
»Allerdings. Ich hörte auf zu glauben, dass ich Richard Draco jemals ändern könnte. Gleichzeitig jedoch war ich der festen Überzeugung, ohne ihn nicht leben zu können. Außerdem
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