Spiel mit dem Mörder
schuldbewusste Miene, als hätte er in jeder seiner Hosentaschen zweihundert Gramm Zeus vor ihr versteckt.
»Haben Sie verstanden?«
»Ja, ich glaube. Brauche ich jetzt einen Anwalt?« Er guckte wie ein junges Hündchen, das die Hoffnung hatte, es würde dafür, dass es auf den neuen Teppich gepinkelt hatte, nicht allzu hart bestraft. »Oder sollte ich meine Agentin anrufen?«
»Die Entscheidung liegt bei Ihnen.« Durch einen derartigen Anruf verlören sie natürlich Zeit und vor allem würde dadurch alles unnötig verkompliziert. »Sie können sie aber auch jederzeit während des Gesprächs kontaktieren. Oder, wenn Ihnen das lieber ist, kommen Sie mit auf die Wache, und wir unterhalten uns dort.«
»Tja. Hmm.« Er blickte auf sein Link und atmete hörbar aus. »Ich schätze, jetzt störe ich sie vielleicht besser nicht. Sie hat nämlich stets alle Hände voll zu tun.«
»Warum fangen Sie dann nicht einfach an, mir zu erzählen, was gestern Abend vorgefallen ist?«
»Sie meinen …« Ein sichtbarer Schauder rann ihm über den Rücken, und er blinzelte Eve unglücklich an. »Ich stand in der Kulisse links der Bühne. Er war brillant, einfach brillant. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich dachte, wenn das Stück lange auf dem Spielplan stünde, hätte ich eventuell mal irgendwann die Chance, den Vole zu spielen, weil Draco sicher mal irgendwie nicht kann …«
Er brach ab. »Damit habe ich nicht sagen wollen … Ich habe mir nie gewünscht, dass ihm etwas Schlimmes widerfährt. Ich hatte gedacht, dass er vielleicht mal einen Schnupfen kriegen oder einen freien Abend würde haben wollen, etwas in dieser Art.«
»Sicher. Und was haben Sie von Ihrem Platz in der Kulisse links der Bühne in der letzten Szene gesehen?«
»Er war einfach perfekt«, murmelte Proctor abermals und bekam einen träumerischen Blick. »Arrogant, aalglatt, gefühllos. Die Art, in der er seinen Freispruch gefeiert hat und gleichzeitig Christine wie einen abgenagten Knochen fortgeworfen hat. Seine Freude darüber, dass er gewonnen, dass er alle hintergangen, alle hinters Licht geführt hatte. Dann der Schock, der Schock in seinem Blick, in seiner Haltung, als sie mit dem Messer auf ihn zukommt. Ich habe ihn beobachtet und genau gewusst, so gut wäre ich nie. Das hätte ich einfach nicht in mir. Mir ist gar nicht klar geworden … selbst als alle aufhörten zu spielen, ist mir erst gar nicht klar geworden, was dort geschehen war.«
Er hob die Hände und ließ sie wieder sinken. »Ich bin mir nicht sicher, ob es mir inzwischen klar geworden ist.«
»Wann wurde Ihnen bewusst, dass Draco nicht mehr spielte?«
»Ich glaube - ich glaube, als Areena schrie. Zumindest wusste ich in dem Moment, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Dann ging alles furchtbar schnell. Leute rannten zu ihm, schrien herum, der Vorhang wurde eilig heruntergelassen«, erinnerte er sich. »Und er lag völlig reglos da.«
Es ist auch ziemlich schwer, vom Boden aufzuspringen und sich zu verbeugen, wenn man ein zwanzig Zentimeter langes Messer im Herzen stecken hat , ging es Eve zynisch durch den Kopf. »Wie sah Ihre persönliche Beziehung zu Richard Draco aus?«
»Ich schätze, dass es gar keine persönliche Beziehung zwischen uns beiden gab.«
»Sie haben also nie Privatgespräche mit ihm geführt, hatten nie etwas privat mit ihm zu tun?«
»Tja, hm …« Wieder fingen seine Finger an zu trommeln. »Sicher, wir haben ein paar Mal miteinander gesprochen. Allerdings fürchte ich, habe ich ihn verärgert.«
»In welcher Beziehung?«
»Sehen Sie, Lieutenant, ich bin jemand, der gerne andere beobachtet«, erklärte er und schaute Eve mit einem unsicheren Lächeln an. »Um bestimmte Charaktereigenschaften zu entwickeln, um etwas zu lernen. Ich schätze, es hat Draco gestört, dass ich ihn beobachtet habe, denn er hat mir erklärt, wenn ich nicht sofort verschwinde, würde er … hmmm, würde er dafür sorgen, dass man mich in Zukunft als Schauspieler höchstens noch für irgendwelche billigen Sex-Hologramme engagiert. Ich habe mich sofort bei ihm entschuldigt.«
»Und?«
»Er hat mit einem Briefbeschwerer nach mir geworfen. Dem Ding, das auf Sir Wilfreds Schreibtisch steht.« Bei der Erinnerung schüttelte es Proctor. »Er hat mich nicht getroffen. Und wahrscheinlich hat er das auch gar nicht gewollt.«
»Das muss Sie doch maßlos geärgert haben.«
»Nein, nicht wirklich. Es war mir peinlich, dass ich ihn während der Probe gestört hatte. Er nahm den Rest
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