Spiel mit dem Mörder
wenn es ihm gelänge, in Dracos blutige Fußstapfen zu treten. Geld war ein uraltes, wenn auch ziemlich abgedroschenes, aber doch nach wie vor gängiges Motiv.
Eve erwog, ihr Fahrzeug einfach in der zweiten Reihe abzustellen, als sie eine Lücke in der oberen Parkebene am Straßenrand entdeckte und Peabody dadurch erschreckte, dass sie den Wagen plötzlich in die Vertikale gehen und dann einen Satz nach vorne machen ließ, bis er zwischen einer rostübersäten, uralten Limousine und einem verbeulten Airbike zum Stehen kam.
»Gratuliere.« Um ihr Herz wieder in Schwung zu bringen, schlug sich Peabody mit einer Faust gegen die Brust.
Eve schaltete das lautlose Blaulicht ein, damit kein Verkehrsdroide ihr einen Strafzettel verpasste, und joggte dann die Auffahrtsrampe hinunter auf die Straße.
»Dracos Tod könnte für diesen Typen durchaus von Nutzen sein. Er hat momentan die reelle Chance, einmal eine Hauptrolle zu spielen. Das würde nicht nur seinem Ego, sondern auch seiner Karriere und vor allem seinem Konto einigen Auftrieb geben. Bisher ist er niemals auffällig geworden, aber für jeden Kriminellen ist irgendwann das erste Mal.«
»Ihr optimistisches Menschenbild hat mich immer schon beeindruckt.«
»Ja, ich bin eine echte Menschenfreundin, wie man so schön sagt.« Sie verfolgte mit den Augen einen Kerl auf einem Luftbrett, dem eine ausgebeulte Leinentasche über die Schulter hing. »He!« Als er die Schultern hochzog und sie beleidigt ansah, piekste sie ihm mit einem Finger in die Brust. »Falls du allen Ernstes vorhast, hier in dieser Ecke eines von deinen illegalen Spielchen aufzuziehen, werte ich das als persönliche Beleidigung. Schaff dich also mindestens zwei Blöcke weiter, und ich werde so tun, als hätte ich deine hässliche Visage nie gesehen.«
»Von irgendetwas muss ich ja wohl leben.«
»Meinetwegen, aber wie gesagt, mindestens zwei Blöcke von hier entfernt.«
»Scheiße.« Er rückte seine Tasche zurecht und schoss durch den dichten Qualm eines Schwebegrills Richtung Westen davon.
Peabody schnupperte hoffnungsvoll. »Diese Soja-Würstchen riechen richtig frisch.«
»Die sind schon vor zehn Jahren nicht mehr frisch gewesen. Sagen Sie Ihrem Magen, dass er Ruhe geben soll.«
»Das geht nicht. Er macht einfach, was er will.« Mit einem letzten wehmütigen Blick in Richtung Schwebegrill folgte Peabody ihrer Vorgesetzten in das schmutzstarrende Haus.
Früher einmal hatte das Gebäude offenbar ein gewisses Maß an Sicherheit geboten, irgendwann jedoch hatte wahrscheinlich irgendein aktives Kind, das inzwischen alt genug war, um Rente zu beziehen, das Schloss der Haustür aufgebohrt. Der Eingangsbereich hatte die Breite einer Gästetoilette, die Wände hatten die Farbe getrockneten Schlamms und sämtliche Briefkästen - von denen einer mit hoffnungsfroher roter Tinte mit dem Namen M. Proctor beschriftet worden war - waren aufgebrochen und verkratzt.
Eve spähte zu dem winzigen Fahrstuhl, aus dessen Kontrollpaneele man diverse Drähte ragen sah, und marschierte schnurstracks auf die Treppe zu.
Irgendwo stieß jemand laute, jämmerliche Schluchzer aus. Hinter einer Tür im zweiten Stock hörte man den Lärm eines im Fernsehen übertragenen Footballspiels und das laute Fluchen dessen, der das Spiel verfolgte. Es roch süßlich nach Fäulnis, altem Zoner und abgestandenem Urin.
In der dritten Etage drang neben klassischer Musik - einem Stück, das Eve auch Roarke schon hatte spielen hören - rhythmisches Stampfen an ihr Ohr. »Ein Tänzer oder eine Tänzerin«, stellte Peabody mit Kennermiene fest. »Eine Cousine von mir hat es sogar bis ins Regionalballett von Denver geschafft. Jemand übt Jetés. Ich wollte früher auch mal Ballett-Tänzerin werden.«
»Ballett-Tänzerin?« Eve starrte Peabody, deren Wangen vom Treppensteigen hübsch gerötet waren, sprachlos an.
»Tja, nun, als ich noch ein Kind war. Aber ich habe dafür halt nicht die richtige Figur. Tänzerinnen sind eher gebaut wie Sie. Vor ein paar Wochen habe ich mir mit Charles eine Ballett-Aufführung angesehen. Sämtliche Ballerinas waren groß und schlank. Wenn ich solche Frauen sehe, macht mich das richtiggehend krank.«
»Hmmm.« Dies war die sicherste Antwort, wenn Peabody auf ihre Beziehung zu dem lizensierten Gesellschafter Charles Monroe zu sprechen kam.
»Ich bin mehr wie eine Opernsängerin gebaut. Klein und kräftig«, fügte Peabody hinzu und verzog grimmig das Gesicht.
»Haben Sie plötzlich etwa auch noch eine
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