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Spiel mit dem Mörder

Spiel mit dem Mörder

Titel: Spiel mit dem Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Robb
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getimt. Den genauen Zeitpunkt hatten natürlich der Drehbuchautor und der Regisseur des Stückes vorgegeben, aber dass der Auftritt derart stilvoll gewesen war, hatte die Schauspielerin bewirkt.
    Wunderschön, im klassischen Sinne elegant, geheimnisvoll und auf eine kühle Weise sinnlich. Das war ihre Rolle. Doch das war nicht die wahre Christine Vole, erinnerte sich Eve. Die wahre Christine Vole wurde von ihrer Liebe zu einem Mann, der es nicht verdiente, regelrecht verzehrt. Sie log für ihn, obgleich sie wusste, dass er ein Mörder war, sie opferte ihren Ruf und ihre Würde, um ihn vor der gerechten Strafe zu bewahren. Und richtete ihn, als sie am Schluss erkennen musste, dass er ihre Liebe mit Füßen trat, vor aller Augen hin.
    »Das Stück findet auf zwei Ebenen statt«, murmelte Eve. »Genau wie Draco selber zwei Gesichter hatte. Keiner der Beteiligten zeigt seinen wahren Charakter vor der letzten Szene.«
    »Sie sind beide äußerst talentiert.«
    »Das sind sie alle. Sie alle sind es gewohnt, Worte und Gesten so zu wählen, damit man einen ganz bestimmten Eindruck von ihnen bekommt. Ich habe noch nicht bei allen hinter die Fassade gucken können. Sir Wilfred glaubt, er verteidigt einen unschuldigen Mann, und muss am Schluss erkennen, dass er betrogen worden ist. Das reicht, um einen aus der Haut fahren zu lassen. Und wenn wir das aufs wahre Leben übertragen, reicht es vielleicht sogar aus, um jemanden zu töten.«
    Roarke nickte zustimmend. »Sprich weiter.«
    »Die Diana hat jeden Mist geglaubt, den ihr Vole erzählt hat. Dass er unschuldig ist, und dass er seine Frau, weil sie eine kalte Hexe ist, verlässt.«
    »Die andere Frau«, warf Roarke nachdenklich ein.
    »Die Jüngere. Ein bisschen naiv und gleichzeitig ein bisschen gierig.«
    »Wird sie am Schluss nicht merken, dass sie ebenfalls benutzt und betrogen worden ist, und sich dafür in Grund und Boden schämen? So wie Carly und Christine haben erkennen müssen, dass sie von Richard Draco, respektive Leonard Vole, benutzt und betrogen worden sind. Und Michael Proctor steht in den Kulissen, sieht alles mit an und sehnt sich leidenschaftlich danach, dass er einmal die Rolle übernehmen darf.«
    Sie studierte die Gesichter, lauschte auf die Stimmen, dachte über die Beziehungen der Menschen zueinander nach. »Es ist einer von ihnen, einer der Schauspieler. Das weiß ich ganz genau. Es ist keiner der Techniker, der irgendeinen Groll gegen Draco gehegt oder selbst davon geträumt hat, einmal im Rampenlicht zu stehen. Es ist jemand, der es gewohnt ist, auf der Bühne zu stehen, und der deshalb weiß, welche Rolle in welchem Moment von ihm erwartet wird.«
    Sie verstummte, verfolgte das Geschehen weiter und suchte dabei nach irgendeinem Haken, einer Sekunde, in dem ein Blick oder eine Geste die Gefühle hinter der Fassade, den heimlich geschmiedeten Plan verriet.
    Aber nein, sie waren einfach viel zu gut, musste sie erkennen. Jeder Einzelne von ihnen war unglaublich gut.
    »Nun kommt die erste Szene im Gerichtsaal. Da ist das falsche Messer. Standbild. Vergrößerung des Bereichs P-Q um fünfundzwanzig Prozent.«
    Der Tisch mit den Beweismitteln wurde vergrößert, und zum ersten Mal nahm Eve die feinen Unterschiede zwischen der Requisite und dem für den Mord benutzten, echten Messer wahr.
    »Die Klingen haben fast die gleiche Form und Größe, aber der Griff ist ein bisschen breiter. Es ist dieselbe Farbe, aber ein anderes Material.« Sie atmete hörbar aus. »Aber das bemerkt man nur, wenn man drauf achtet. Wenn man das falsche Messer erwartet, ist es natürlich das falsche Messer, das man sieht. Draco hätte es mit eigenen Augen sehen und selbst vom Tisch herunternehmen können, ohne dass ihm etwas aufgefallen wäre. Verdammt. Weiter im Programm.«
    Allmählich bekam sie leichtes Kopfweh. Trotzdem nahm sie nur am Rande wahr, dass Roarke begann ihr sanft die Schultern zu massieren, denn sie war völlig in den Szenenwechsel, den heruntergehenden Vorhang, den lautlosen Austausch der Kulissen durch schwarz gekleidete Bühnenarbeiter vertieft.
    Dann entdeckte sie Quim. Er hatte das Kommando und war eindeutig in seinem Element. Er fuchtelte mit seinen Händen, doch die Zeichensprache, derer er sich bediente, bedeutete ihr nichts. Sie sah, dass er kurz mit dem Requisiteur Rücksprache hielt, und dann wandte er den Kopf nach links.
    »Da.« Abermals sprang Eve von ihrem Platz auf. »Er sieht etwas, etwas, das nicht passt. Er zögert, ja, genau, nur für eine

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