Spiel mit der Liebe
reichte ihr einen Rock, der aus vielen Stücken bunter Seide genäht worden war. Hanka drückte ihr eine dazu passende Bauernbluse in die Hand.
»Heute Abend wird bei uns getanzt«, erzählte Hanka. »Du musst kommen und mit uns tanzen. Wir werden dir beibringen, zu tanzen wie die Roma.«
Oh, das war verlockend. Kitt strich über die glatte Seide auf ihrem Arm. Die Kleidungsstücke waren nicht viel mehr als Stofffetzen. Was für eine Freiheit würde es bedeuten, solche Kleidung zu tragen! Sie sah die beiden Zigeunermädchen an. Wie würde es sein, ein so einfaches Leben zu genießen?
»Danke für die Geschenke«, sagte sie. »Ich werde sie immer in Ehren halten. Ich werde euch nie vergessen.« In der Tat konnte sie es kaum erwarten, ihre Gesichter auf Papier zu bannen. So viele Bilder gingen ihr durch den Kopf, dass sie sich beinahe schwindlig fühlte.
»Zeit, zu gehen, meine Liebe«, meldete sich Clay leise.
Kitt blickte auf bei den liebevollen Worten, und die sanfte Art, wie er sie ausgesprochen hatte, machte sie nervös. Er musste ihre Unterhaltung gehört und auch begriffen haben, wie viel ihr diese einfachen Geschenke bedeuteten. Warum schien er nur immer wieder zu wissen, was sie dachte! Er legte ihr die Hand an die Taille und führte sie zu der offenen Kutsche, dann half er ihr beim Einsteigen. Tonio und Izzy liefen hinter ihr die Stufen der Kutsche hinauf und ließen sich auf den Sitz fallen. Sie sprachen noch immer in schnellem Italienisch mit dem kleinen Zigeunerjungen mit den seelenvollen braunen Augen, den sie offensichtlich zu ihrem Freund erkoren hatten.
Clay folgte Anna in die Kutsche, und der Kutscher trieb die Pferde zu einem leichten Trab an. Den ganzen Weg zurück zum Haus hielt Kitt das weiche seidene Gewand, das die Mädchen ihr gegeben hatten, fest in den Händen und fragte sich, wie es wohl sein würde, ihnen beim Tanzen zuzusehen. Sie sagte sich, dass das ganz unmöglich war, dass es skandalös wäre - und auch gefährlich -, wenn sie sich allein wegschlich, um so etwas zu beobachten.
Sie hoffte nur, dass sie sich selbst davon würde überzeugen können.
Der Abend zeigte einen klaren, wolkenlosen Himmel und einen riesigen Vollmond, der die Hügel in der Umgebung in einen sanften, beinahe irisierenden Schein hüllte. Im Inneren des Hauses genossen die Gäste ein elegantes Abendessen, gefolgt von einem Abend mit Musik und Spiel.
Kitt tanzte mit einem bemerkenswerten jungen Schriftsteller mit dem Namen Franklin Brimly Heridan und dann mit einem entthronten französischen Grafen, Maximilian Dupree, der gerade noch rechtzeitig aus seinem Land geflohen war, ehe man ihm den Kopf abschlagen konnte, dann mit Dr. Peter Avery, einem jungen Arzt mit sandfarbenem Haar, der liebenswert schüchtern war und ein wenig stotterte.
Die Gesellschaft war angenehm, dennoch suchten ihre Blicke immer wieder nach Harcourt, und sie fragte sich, wann er wohl erscheinen würde. Schließlich entdeckte sie ihn am Rand der Tanzfläche. Er unterhielt sich mit der wunderschönen, schwarzhaarigen Elizabeth Watkins, der Gräfin von May. Sie standen ein wenig zu nahe beieinander und sprachen miteinander, als seien sie die einzigen Menschen in dem Zimmer, und Kitt fühlte, wie sich ihr Magen kurz und unangenehm zusammenzog.
Es wurde erzählt, dass Clay und die Gräfin Geliebte gewesen waren. Dem einladenden Blick der hübschen Lady nach war es offensichtlich, dass sie das noch immer waren.
Als Harcourt sich zu ihr beugte, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern, wandte sich Kitt ab, entschlossen, die beiden zu ignorieren. Sie verspürte einen dumpfen Schmerz in ihrer Hand und stellte dann fest, dass sie die Hände so fest zu Fäusten geballt hatte, dass sich ihre Fingernägel durch die weißen Handschuhe hindurch in ihre Handflächen gebohrt hatten.
Verdammt, wieso machte es ihr etwas aus, was Harcourt tat -oder mit wem? Sie wollte ihn nicht haben. Sie wollte keinen Mann, und das würde auch immer so bleiben.
Aber ihn mit Lady May zu sehen, hatte die Erregung ein wenig gedämpft, die sie zuvor gefühlt hatte. Sie hoffte, dass niemand sie sehen würde, als sie aus dem Salon schlich und dann die geschwungene Treppe hinauf nach oben ging, in ihr Schlafzimmer in der zweiten Etage. Eine Lampe war neben dem Bett angezündet worden, und das Bett war aufgedeckt.
Am Fuß des Bettes, wo sie heute Nachmittag die Kleider hingelegt hatte, lagen noch immer die rote Seidenbluse und der bunte Rock, den Hanka und Dina ihr heute geschenkt
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