Spiel mit mir!: Roman (German Edition)
Edward bereits so einiges durchgemacht hatte. Seine Wahrnehmung der Wirklichkeit beruhte nicht nur auf seiner eigenen Lebenserfahrung, sondern auch auf der seiner Vorfahren.
»Jeder männliche Corwin, der den Fluch ignorieren wollte, hat früher oder später den Preis dafür bezahlt. Auch ich. Dass ich an den Stadtrand gezogen bin und jetzt hier lebe, allein, das war meine Rettung«, schloss Edward nachdrücklich und nickte.
Amber hätte beinahe eingeworfen, dass es zugleich auch sein sozialer Untergang gewesen war, aber sie hatte den Eindruck, dass er jetzt nicht in der richtigen Verfassung dafür war. Er würde es nicht hören wollen, geschweige denn verstehen. »Ich könnte mal rausgehen und mit dem Makler reden; ihn fragen, was er mit dem Haus vorhat«, erbot sie sich.
Bevor Edward etwas entgegnen konnte, fuhr draußen vor dem Haus Gabrielles kleines schwarzes Lexus-Cabrio vor. Sie stieg aus und ging zur Haustür. Amber machte ihr auf, noch ehe sie geläutet hatte.
Gabrielle schwankte und musste sich mit einem beherzten Griff am Türrahmen festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. »Onkel Edward, du musst endlich die Einfahrt asphaltieren lassen, sonst breche ich mir noch irgendwann den Knöchel«, sagte sie.
»Ich bin nicht dein Onkel«, brummte er.
Gabrielle warf Amber einen Blick zu und grinste.
»Und ob du das bist. Ich habe in deine Familie eingeheiratet. Wann hörst du endlich auf, dich mit mir zu streiten?«
Er schnaubte nur frustriert und bezog wieder seinen Posten am Fenster.
»Was gibt es denn da draußen zu sehen?«, erkundigte sich Gabrielle.
»Das Haus nebenan ist gerade zum Verkauf ausgeschrieben worden«, erklärte Amber. Sie betrachtete Gabrielle, die einen hübschen Rock und ein ärmelloses Top trug, und sah dann an sich hinunter. Sie hatte noch immer ihre Pyjamahose an.
Gabrielle dagegen schaffte es sogar um neun Uhr morgens schon, wie ein Model auszusehen. Ein etwas blasses Model zwar, aber vielleicht lag das ja an dem prekären Zustand der ungeteerten Einfahrt, dachte Amber.
»Harry Winters zieht aus?«, fragte Gabrielle nun hörbar überrascht. »Ich dachte, er wäre genauso gern alleine wie du«, sagte sie zu Edward.
»Na ja, seit du letztes Jahr dafür gesorgt hast, dass Bürgermeisterin Mary Perkins ins Kittchen gewandert ist, traut er sich wieder aus dem Haus. Er hat neuerdings eine Freundin. Hat sie im Wave kennengelernt, kurz nachdem sie es nach dem Brand wieder aufgebaut haben.«
Gabrielle hob die Augenbrauen. »Und woher weißt du das alles?«
Das fragte sich Amber allerdings auch. Edward war erstaunlich gut informiert, wenn man bedachte, dass er kaum je außer Haus ging – und mit niemandem redete, wenn er es doch einmal tat.
Edward wich ihren Blicken aus. »Na ja, ich unterhalte mich manchmal mit ihm. Nun glotzt mich nicht so an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Nachbarn plaudern eben hin und wieder miteinander«, murmelte er zu ihrer großen Verblüffung. »So, könntet ihr zwei euch jetzt verziehen und mir etwas Privatsphäre gönnen?«
»Ich sollte erst einmal unter die Dusche gehen«, stellte Amber fest.
»Ich habe meinen Laptop dabei; ich möchte unten am Teich ein bisschen arbeiten.« Gabrielle deutete auf den Garten hinter dem Haus.
»Ich hab ebenfalls genug zu tun«, brummte Edward und verließ das Wohnzimmer, um zu erledigen, was auch immer er erledigen musste.
»Komischer alter Kauz«, bemerkte Gabrielle, aber in ihrer Stimme schwang eindeutig Sympathie mit. »Also, bis nachher.«
Amber nickte, und dann gingen sie beide ihrer Wege.
Nachdem Amber geduscht und sich angezogen hatte, nahm sie sich aus einem von Edwards Regalen ein Buch und ging, mit einem Handtuch zum Draufsitzen bewaffnet, nach draußen, um es sich im Schatten eines Baumes gemütlich zu machen. Neben ihr tippte Gabrielle fleißig auf ihrem Laptop herum.
Es war schwül, eine warme Brise wehte. »Unerträglich, diese hohe Luftfeuchtigkeit.« Amber fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
Gabrielle schmunzelte. »Ich war schon einige Male auf Lesereise an der Westküste, und ich fand die trockene Hitze dort einfach mörderisch. Aber an die feuchte Luft hier muss man sich sicher auch erst gewöhnen. «
»Als könnte dir das etwas anhaben, mit deinem tollen, glatten Haar.« Amber betrachtete mit dem typischen Neid, den nur Frauen kennen, Gabrielles perfekt sitzenden,
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