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Spiel ohne Regeln (German Edition)

Spiel ohne Regeln (German Edition)

Titel: Spiel ohne Regeln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon McKenna
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trug eine Tunika, die aus dem T-Shirt eines Erwachsenen gefertigt und kunstvoll verknotet worden war, um den winzigen Körper zu verhüllen.
    Sveti drückte Rachel an sich, dann musterte sie Josh. Ihr ruhiger, unverwandter Blick machte ihn nervös. Er war außer sich vor Angst, aber sie wirkte, als wären ihr Furcht und Elend schon so lange vertraut, dass sie sich auf perverse Weise damit abgefunden hatte. Ihre Augen sahen alt aus. Es waren die einer hundertjährigen Frau im Gesicht eines dreizehnjährigen Mädchens. Vielleicht auch erst zwölf. Schwer zu sagen.
    Josh schaute sich um. Eine Welle des Entsetzens überrollte ihn, als er die sehnsuchtsvollen Blicke der Kinder auf sich spürte. Herr im Himmel, wie konnte jemand fähig sein, kleinen Kindern so etwas anzutun? Es gab keine Tische, keine Stühle, keine Bücher, kein Spielzeug, keine Musik, keine Bilder. Nicht einmal Fenster. Das Zimmer stank nach Pisse, schmutzigen Windeln, verrottetem Essen. Große, überquellende Müllsäcke waren an den Wänden aufgereiht. Es sah aus wie in einem Stall für todgeweihte Tiere, die sterben würden, sobald jemand die Zeit fand.
    »Woher kommst du?«, fragte er Sveti.
    Sie dachte sorgsam über die Frage nach. »Ukraina«, antwortete sie.
    Die Ukraine. Langsam fügte sich das Bild zusammen. Beccas Mafioso stammte aus der Ukraine. Nadia war aus Moldawien, zumindest hatte sie das behauptet. Aber was zum Henker tat ein Mafiaboss mit einem Käfig voller trauriger, ungewaschener Kinder?
    Das war eine Frage, über die er kaum nachzudenken wagte. Die Tatsache, dass Carrie und er mit ihnen zusammen hier eingesperrt waren, konnte absolut bedeuten, dass sie dazu verdammt waren, ihr Schicksal zu teilen. Und wenn er sich so umsah, erwartete sie ein entsetzlicher Albtraum.
    Seine eigene Schuld, wenn er auf dieses verlogene Flittchen reinfiel. Wie ein Fisch hatte er den von ihr ausgeworfenen Köder mitsamt Haken geschluckt – welch ein schwanzgesteuerter Idiot er doch war!
    Er schämte sich schrecklich. Becca hatte alles versucht, um ihn zu warnen, und er hatte sie abblitzen lassen wie ein trotziges Kind.
    »Warum bist du hier?«, fragte er.
    Sveti biss sich auf die Lippe, setzte eine zweifelnde Miene auf und schüttelte den Kopf.
    »Aus welchem Grund? Was ist dies für ein grauenvoller Ort? Was haben sie mit dir vor?« Er schrie nun, obwohl er wusste, dass es ihr gegenüber nicht fair war.
    Sie schien sich nicht angegriffen zu fühlen. »Erst Ukraina«, erklärte sie mit leiser, stockender Stimme. »Wohnung. Viel Monate. Dann Laster und Boot, viel Tage.« Sie verzog das Gesicht und tat, als würde sie sich den Finger in den Hals stecken. »Schlecht, Laster, schlecht, Boot. Dann hier.« Sie hob ihre freie, nicht von Rachel beanspruchte Hand. Fünf Finger, eine geschlossene Faust, vier weitere Finger. »Tage, viel Tage.«
    »Neun Tage?«, fragte er.
    »Viel«, wiederholte sie, erschöpft klingend.
    Josh deutete auf die blauen Flecken in ihrem Gesicht. »Wer hat dich geschlagen?« Gott, wie konnte jemand ein derart zartes Gesicht schlagen!
    Ihre Miene wurde ausdruckslos, sie drehte sich weg und setzte das Baby ab. Die Kleine fing an zu wimmern. Josh wusste, wie sie sich fühlte. Aber es wurde Zeit, dass er sich wie ein Mann verhielt und etwas unternahm. Irgendetwas.
    Er stützte sich an der Wand ab und torkelte zur Tür. Es schien weniger energieraubend zu sein, als komplizierte Fragen zu stellen. Die kleineren Kinder folgten ihm zögerlich im Gänsemarsch. Er war vermutlich das erste neue Gesicht, das sie seit Monaten zu sehen bekamen. Er musste ein höllisches Bild abgeben, windelweich geprügelt und blutbesudelt, wie er war. Er versuchte, die Tür zu öffnen. Verschlossen und verriegelt. Die einzige andere Tür führte in ein Bad. Eine verdreckte Toilette ohne Sitz und ein schmutziges Waschbecken. Ein rissiges Stück gelbe Seife. Ein Klopapierspender in Gastronomiegröße. Uringestank. Mehr nicht.
    Langsam hangelte er sich an der Wand entlang zurück zu Carrie und sank neben sie. Er verspürte Übelkeit und Angst. Er bedeckte die Augen mit der Hand, um das Licht und die durchdringenden Blicke der vielen daumenlutschenden Kinder abzublocken, die um ihn kauerten und ihn beobachteten.
    Ein paar Minuten später spürte er einen Klaps auf seinem Knie. Sveti hielt ihm ein kleines Plastiktablett hin, das an die Fertigmahlzeiten erinnerte, wie man sie aus Flugzeugen kannte. Ein Streifen trocken aussehendes Fleisch, ein Batzen klebriges

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