Spiel ohne Regeln (German Edition)
dabei bemerkte sie das helle Funkeln eines Eherings an der Hand des Mannes. Dieser betrügerische Schleimscheißer. Wie schon zuvor sorgte ihre Wut für Klarheit in ihrem Kopf. Sie übergoss das Fleisch mit Soße und stellte sich vor, sie würde stattdessen draufspucken. Die Spinne grapschte nach ihrer Tunika und zerrte daran. Eine ihrer Brustwarzen sprang heraus. Beccas Selbstbeherrschung bekam einen Riss, und sie schreckte zurück. »Bitte, entschuldigen Sie mich. Ich hole nur eben die … die Früchte.«
Kaum fiel die Tür hinter ihr zu, rannte sie los, die Hand vor den Mund geschlagen, bis sie gegen etwas prallte, das so unnachgiebig wie eine Ziegelmauer war.
Es war Mr Big. Er hielt sie an den Schultern fest.
»Bitte«, keuchte sie hinter ihrer Hand, bevor er sie zurechtweisen konnte. »Ich muss mich übergeben. Sofort. Bitte!«
Er legte den Arm um ihre Schultern und führte sie eilig nach draußen auf eine seitliche Veranda.
Gerade noch rechtzeitig. Becca beugte sich über die Brüstung und kotzte sich die Seele aus dem Leib, zusammen mit dem halben Sandwich und dem Kaffee, den sie auf Mr Bigs Drängen hin vorhin runtergewürgt hatte.
Wie eine abgelegte Stoffpuppe hing sie über dem Geländer und spuckte bittere Fäden Rotz und Galle. Mit tränenden Augen und triefender Nase streckte sie den nackten Hintern jedem potenziellen Bewunderer entgegen, aber in diesem Moment kümmerte es sie nicht.
Eine große, warme Hand legte sich auf ihre Schulter, und Becca zuckte zusammen. Es war wieder Mr Big, der ihr eine feuchte Leinenserviette in die Hand drückte. Sie säuberte sich das Gesicht. »Ich kann dort nicht wieder reingehen«, stammelte sie. »Ich fürchte mich zu sehr.«
»Du musst.« Seine Miene war resolut, hart wie Stein.
Sie presste das nasse Tuch auf ihren zitternden Mund und versuchte, genügend Luft zu bekommen, um zu sprechen, um es ihm begreiflich zu machen. »Du verstehst nicht«, wimmerte sie. »Er schiebt immer wieder die Hand zwischen meine Beine. Ich glaube, sie wollen … sie werden … «
»Becca.« Er hielt sie an den Schultern fest. »Ich versuche, dir zu helfen.« Er akzentuierte jedes einzelne Wort, als wollte er es ihr ins Gehirn hämmern. »Aber es ist noch nicht der richtige Moment. Du musst zurückgehen. Ich brauche … mehr … Zeit.«
Schlotternd vor Angst erhob sie keine Widerrede.
»Willst du leben?«, zischte er.
Sie starrte ihm in die Augen. Dann formte sie mit den Lippen lautlos ein Wort. Ja .
»Dann verschaff mir mehr Zeit! Servier die Früchte, den Kaffee, den Nachtisch! Bleib fokussiert! Halt die Augen offen! Sei auf alles gefasst! Und was immer du mich tun siehst, fang nicht an zu schreien! Hast du kapiert?« Er wartete ein paar Sekunden, dann schüttelte er sie so fest, dass ihre Zähne aufeinanderschlugen. »Hast du kapiert?«, fauchte er.
»Ich hab’s kapiert.« Die geflüsterten Worte kamen stockend.
Er riss ihr die feuchte Serviette aus der Hand und wischte ihr grob über Gesicht und Augen. Sie fühlte sich wie ein überrumpeltes Katzenjunges, das von der Zunge seiner Mutter gestriegelt, gestupst und geknufft wurde.
Er schob ihre Haare zurück, die in ihrem feuchten Gesicht hingen, drehte sie um und versetzte ihr einen Schubs Richtung Tür. »Mach dich wieder an die Arbeit!«
Wie ein Roboter schlurfte sie in die Küche, um die Früchte und die Cremespeise zu holen. Ihr Kopf kreiselte wie ein Jahrmarktkarussell, während sie versuchte, Hoffnung aus seinen Worten zu schöpfen. Er wollte ihr helfen? Das war schon mal tröstlich. Sie sollte ihm Zeit verschaffen? Meinte er damit, dass sie diesen Männern sexuell zu Diensten sein musste? Sie stolperte den Korridor entlang und versuchte, es sich vorzustellen.
Könnte sie es tun? Um ihr Leben zu retten?
Nein.
Sie stieß die Tür auf und ihr Notstromaggregat übernahm. Lächeln, lächeln, lächeln! Ihr Herzschlag dröhnte ohrenbetäubend laut in ihrem Kopf.
Mit professioneller Anmut begann Becca, die Früchte zu servieren – ein Ananasfächer hier, glänzende Erdbeeren dort, daneben dickfleischige Mangospalten, eine Pyramide aus Himbeeren. Sie träufelte Creme über die Beeren, sodass sich daneben ein Spiegel bildete. Mit einer gewandten Drehung ihres Servierlöffels mischte sie Beerensirup in die Soße und kreierte ein zartes Schmetterlingsmuster.
Sie hörte Stimmengemurmel, das abflaute und wieder lauter wurde. »… die Einrichtung ist mit der allerneusten Technik ausgestattet, und die Warteliste wird
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