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Spiel ohne Regeln (German Edition)

Spiel ohne Regeln (German Edition)

Titel: Spiel ohne Regeln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon McKenna
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trieb ihr die Tränen in die Augen. Emotionslos registrierte sie, dass ihr bei ihrer wilden Flucht durch den Wald die Bluse von der Schulter gerissen worden war. Sie baumelte als nasser Fetzen herab, sodass eine ihrer Brüste vollständig entblößt war. Sie hatte eine Gänsehaut und merkte es kaum.
    Mr Big sagte etwas. Sie beugte sich vor und versuchte, ihn durch das Rauschen des Windes in ihren Ohren zu verstehen. »Was?«
    »Thermische Decke.« Er hob die Stimme gerade genug an, dass sie ihn hören konnte, und gestikulierte mit dem Finger. »Dort drüben. Nimm sie, bevor du erfrierst!«
    Ihre tauben Finger waren in etwa so nützlich wie ein Haufen steifer, toter Fische, aber schließlich fand sie das Ding und riss die wasserdichte Plastikverpackung auf. Dankbar wickelte sie die Decke um sich.
    Sie sah zu Mr Big, der angestrengt nach vorn starrte. Mit seinen nach hinten wehenden Haaren und den gegen den Wind zusammengekniffenen Augen war er die Personifizierung eiserner Konzentration.
    Sein Ärmel war bis zum Ellbogen mit Blut durchtränkt.
    Die Bilder dessen, was sie gerade gesehen hatte, stürmten auf sie ein. Blutlachen, klaffende Wunden in dicken Hälsen. Die dümmliche Überraschung im Gesicht des Mannes mit dem Loch zwischen den Augen.
    Sie war heute über so viele unvorstellbare Grenzen gestoßen worden, dass sie sich völlig verändert fand. Die bedrohlichen Massen der Inseln ragten aus der unendlichen Weite silbrigen Wassers heraus, lauerten über ihnen wie riesige Bestien, die jeden Moment angreifen würden. Dicke Wolken wälzten sich über den Himmel, während die Nacht schnell hereinbrach. Der grelle pinkfarbene Streifen am Horizont verblasste vor ihren Augen.
    Sie befand sich in einem Schwebezustand. Ihr grimmiger, stiller Begleiter war furchterregend wie der vermummte Fährmann auf dem Styx. Und er war so geschickt im Töten, als täte er es regelmäßig. Sie schluckte hart, und ihre Kehle schmerzte.
    Becca starrte auf ihre Zehen, die so kalt waren, dass sie sich nicht mehr wie ihre eigenen anfühlten, und versuchte zu sprechen. Sie bekam nicht genügend Luft in ihre Lungen, um einen Ton herauszubringen. Die Inseln flogen vorbei, und das Boot zog hohe Fontänen von Spritzwasser hinter sich her. Endlich gelang es ihr, sich über das Röhren des Motors bemerkbar zu machen und eine Frage zu stellen, von der sie nicht glaubte, dass er sie beantworten würde. »Wer bist du?«
    Er senkte noch nicht mal den Blick. »Nicht jetzt!«, brüllte er.
    Nicht jetzt? Sie hatte Todesängste ausgestanden und war missbraucht, gedemütigt und bedroht worden. »Ich verlange ein paar gottverdammte Antworten!«, schrie sie zurück.
    Er verlangsamte das Boot, stellte den Motor ab. Ein Rest an Schwungkraft trieb sie auf den pechschwarzen Wellen schaukelnd durch die plötzliche Stille.
    »Okay. Jetzt streng dein Gehör an! Hörst du irgendwelche Verfolger?«
    Sie spitzte die Ohren. Sie hörte den Wind, die Wellen, ihr eigenes Zähneklappern.
    »Nein«, sagte sie.
    »Die korrekte Antwort auf die Frage lautet: ›Noch nicht‹, gefolgt von: ›Aber verdammt bald‹. Hast du eine Ahnung, wie glücklich du dich schätzen kannst, noch am Leben zu sein?«
    »Ach, ich soll dir also dankbar sein?« Ihre Stimme zitterte und brach. »Mensch, danke! Ich würde nur gern wissen, wieso ich überhaupt in Lebensgefahr war! Wer waren diese Psychos? Und wer zur Hölle bist du?«
    »Dein Timing ist echt übel. Halt den Mund und … «
    »Hör damit auf!« Sie packte seinen Arm. »Das sagst du schon den ganzen Tag! Halt den Mund, und tu, was man dir befiehlt, oder stirb! Weißt du was? Das interessiert mich nicht mehr!«
    »Verdammt!« Er schüttelte sie ab, und sie plumpste mit dem Hintern auf den Boden des Schlauchboots. »Willst du, dass wir beide ertrinken? Sitz still!«
    Sie rappelte sich auf die Knie hoch. Das Boot schaukelte wie wild. »Was, nerve ich dich etwa?«, fauchte sie.
    »He!« Er fasste nach der thermischen Decke und zog Becca enger an sich. »Es mag dir schwerfallen, das zu glauben, aber Kehlen aufzuschlitzen zählt nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Tatsächlich versaut es mir ziemlich die Laune … «
    »Du bist geistesgestört!«
    »Stimmt. So wurde ich geboren, und von da an wurde es nur immer schlimmer. Jetzt hör mir zu: Es ist Zeitverschwendung, mit mir zu streiten, und sie könnte uns beide das Leben kosten. Verstehst du mich?«
    Die Heftigkeit hinter seinen Worten ließ sie zurückprallen. All seine Taten der

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