Spiel ohne Regeln (German Edition)
war, nachdem Nick sich auf den halbdunklen Flur verkrümelt hatte.
Es konnte kaum noch übler werden. Ihr Worst-Case-Szenario war eingetreten. Und es machte ihr bewusst, wie viele dumme, hoffnungsvolle Fantasien sie in ihrem Hinterkopf ausgebrütet hatte, bevor sie kurz und klein geschlagen worden waren.
Sie konnte niemandem als sich selbst die Schuld dafür geben, dass sie sich gedemütigt, benutzt und traurig fühlte. Sie musste ihre Würde aus ihrem Versteck herausholen und sich wie eine Erwachsene benehmen. Schniefend wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie musste aufhören, sich etwas zu wünschen, das sie nicht haben konnte.
Nein, schlimmer noch: Sie durfte sich nichts wünschen, was gar nicht existierte.
Vielleicht hatte sie unbewusst darauf gehofft, dass es auf magische Weise alles besser machen würde, wenn sie mit Nick schlief. Das war nicht passiert. Es konnte nicht passieren. Der Sex an sich hatte ihre wildesten Träume übertroffen, aber wenn überhaupt machte das die Sache nur noch schlimmer. Es zeigte den Kontrast zwischen ihren dämlichen Fantasien und der kalten, schnöden Realität nur umso schmerzvoller auf.
Becca stolperte ins Bad und nahm sich mit zitternden Fingern einen Waschlappen. Sie machte ihn nass und wischte sich das Sperma vom Körper, während sie ihr Gesicht anstarrte, das sie kaum wiedererkannte. Sie sah verändert aus. Da waren diese tiefen Schatten unter ihren Augen, die fast wie Blutergüsse aussahen, diese fiebrige Hitze in ihrem Gesicht, dieser glasige Glanz in ihren Augen, die geschwollene Röte auf ihren Lippen. Die wilde Flut ihrer Haare. Sie wirkte wie eine Frau am Rand eines … sie traute sich kaum, darüber nachzudenken.
Sie hatte vier tote Männer gesehen, einem davon hatte sie sogar beim Sterben zugeschaut. Sie hatte Adrenalinstöße erfahren, die selbst einen Elefantenbullen umgehauen hätten. Sie war terrorisiert, gedemütigt und begrapscht worden. Ihr war mit Vergewaltigung, Folter und dem Tod gedroht worden.
Und dann die Sache mit Nick. Mann, was für eine Nacht!
Sie fühlte sich klein, erschöpft, ängstlich. Wie ein Beutetier. Eine zitternde, hilflose, pelzige Kreatur, die auf die Klauen und den Schnabel ihres Jägers wartete. Daran konnte auch großartiger Sex nichts ändern, ganz egal, wie ungestüm sie zum Höhepunkt kam.
Es lag einfach an der derzeitigen Verfassung ihrer geschundenen Seele. Ein wenig Zärtlichkeit oder Verständnis hätten helfen können, aber es war ganz offensichtlich, dass Nick dazu nicht fähig war.
Und wenn schon! Komm drüber weg, tadelte sie sich selbst. Der Mann hatte sein Leben aufs Spiel gesetzt, um sie dort rauszuholen. Sie sollte dankbar sein, dass sie am Leben und in einem Stück war, auch wenn sie sich wie ein Häuflein Elend fühlte.
Sie sollte es abhaken, ihre Prioritäten neu sortieren und tolerant sein gegenüber seinen unhöflichen Umgangsformen, seinem unglaublich beschissenen postkoitalen Verhalten.
Immerhin hatte auch er eine harte Nacht hinter sich. Fast hätte sie über sich selbst gelacht. Ihre ständigen Erklärungsversuche kamen sogar ihr manchmal aberwitzig vor.
Becca nahm ihren alten Seidenmorgenmantel mit dem Rosenmuster vom Haken im Badezimmer und hüllte ihren fröstelnden Körper darin ein, während sie zwischen den Kissen auf dem Boden hindurchging.
Im Flur stolperte sie über etwas und wäre fast hingefallen. Blinzelnd versuchte sie zu erkennen, was es war. Nicks Stiefel. Eine nasse Männersocke hing darüber. Ihr stockte der Atem.
Also war er doch nicht ohne ein Wort oder einen Blick gegangen. Er hätte ihr Apartment nicht barfuß verlassen.
Schwankend begab sie sich in die Küche ihrer winzigen Wohnung. Kein Nick. Er würde sich als große, verschwommene, dunkle Silhouette abzeichnen, die den ganzen Raum einnahm, allen Sauerstoff verbrauchte. Mit ihm darin wirkte ihr Zuhause noch viel kleiner.
Nick . Sie hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, seinen Namen zu kennen. Nikolai . Sie merkte, dass sie ihn mehrmals wiederholte, ihn über ihre Zunge rollen ließ und das enge, heiße Gefühl auskostete, das er in ihrer Brust auslöste.
Sie war ihm schon jetzt verfallen. Großer Gott! Das war unheimlich. Und sehr, sehr schlecht.
Sie erschnupperte einen Hauch Zigarettenrauch, als sie sich der Tür näherte. Sie zog sie auf und spähte nach draußen. Nur in Jeans saß Nick auf der Treppe, die von ihrem Balkon nach unten führte. Tätowierungen bedeckten seine breiten, muskulösen
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