Spiel Satz Tod - Kriminalroman
nach mir Ausschau. Durch den Strom der Schüler drängte sie sich zu mir durch. Mehrere blickten überrascht von ihr zu mir. Ich fragte mich, wie es wohl echten Zwillingen gehe. Einige packten Freunde beim Arm und glaubten, ich sähe es nicht, wenn sie vorsichtig mit dem Finger auf uns zeigten.
Zum Glück bemerkte Kyla von alledem nichts. Sie war von Panik ergriffen. »Heute ist meine erste Unterrichtsstunde«, jammerte sie. »Du musst mir helfen.«
»Alles wird gut.« Ich suchte sie zu beruhigen und sammelte erst einmal meine Siebensachen ein. »Das sind keine Monster. Vergiss aber nicht, was ich dir gesagt habe: Sie spüren, wenn du Angst hast.«
Wie gern hätte ich Mäuschen gespielt, wenn sie einen Raum voller zynischer Teenager betrat und ihnen etwas über eine Karriere in den Naturwissenschaften erzählte. Aber ich dachte nicht daran, sie zu begleiten. Zum einen, weil ich auf dem Tennisplatz zu tun hatte, und zum anderen, weil sie es immer verstand, mich für sie die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen.
»O Gott, ich bin jetzt schon tot.« Kyla ließ sich auf meinen Stuhl fallen und schwang ihre Handtasche auf den Tisch. Die landete mit einem harten Schlag.
»Was hast du denn da drin? Wackersteine?«, fragte ich. Sie zuckte die Achseln, sah mich dabei aber nicht an. »Das Übliche – Handy, Kamera, Brieftasche …«
Mir wäre gar nichts weiter aufgefallen, wenn sie nicht so schuldbewusst dreingeschaut hätte. Schließlich wog meine Tasche auch so viel wie ein gutgenährtes Baby. Warum also …
»Du hast doch nicht etwa deine Pistole mitgebracht?«, fragte ich, Schlimmes ahnend.
»Natürlich nicht!«, gab sie zurück, nahm die Tasche und drückte sie an ihre Brust.
»Auf dem Schulgelände eine Waffe zu tragen ist strafbar. Und du bist gerade erst …«
»Das weiß ich doch. Ich bin ja nicht blöd.«
»Dann erkläre jetzt, dass du keine Waffe bei dir hast.«
»Ich habe keine Waffe bei mir«, sagte sie und schaute mich aus ihren blauen Augen unbefangen an.
Ich glaubte ihr nicht. Sie hatte ihre Glock 19 , Kaliber neun Millimeter, da drin. In meiner Schule. Ich dachte scharf nach, welche Möglichkeiten ich hatte. Mit Gewalt konnte ich sie ihr nicht abnehmen. Aber zumindest hatte ich nun einen plausiblen Grund, ihre Bitte abzuschlagen, etwas, was bei Kyla äußerst wichtig war. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass sie zumindest wusste, wie sie mit dem Ding umzugehen hatte. Und ein Amoklauf war von ihr auch nicht zu erwarten.
»Ich muss jetzt weg«, sagte ich. »Mein Tennistraining wartet.«
»Machst du Witze? Du kannst doch nicht einfach zumTennis gehen. Du musst mir helfen. Das hast du versprochen.«
»Das habe ich getan, bevor ich Tennistrainerin wurde. Außerdem habe ich dir geholfen. Wir haben gemeinsam ein Konzept für die Stunde ausgearbeitet, schon vergessen? Du bist kein kleines Mädchen mehr. Du kannst das.«
Sie schnaufte entrüstet durch die Nase, aber aus Gründen, die nur sie kannte, stritt sie nicht länger mit mir.
Ich schloss meinen Schreibtisch ab. »Komm, es ist Zeit.«
Sie erhob sich und sah mich verschmitzt an. »Und was ist nun mit dir und Detective Gallagher?«
»Das müsste ich dich fragen. Was hat er noch mit dir beredet, als ich gegangen war?«
»Nicht viel. Er hat nur gefragt, ob du oft Ärger mit Eltern hättest.«
»Und was hast du ihm gesagt?«, fragte ich neugierig.
»Ich habe gesagt, wahrscheinlich nicht, denn sonst hättest du dich sicher bei mir ausgeheult. Wir haben nicht lange miteinander gesprochen. Kurz danach fing die nächste Gruppe an zu spielen, und wir haben zugehört. Es war nett. Warum bist du überhaupt so früh abgehauen?«
Ich antwortete nicht sofort, denn ich wusste es selber nicht genau. Dann sagte ich obenhin: »Ich war irritiert, dass er uns auf diese Weise gefunden hat. Und ich hatte wirklich noch zu arbeiten.« Beide Gründe trafen zu, aber selbst ich wusste, dass es nur Ausreden waren.
»So ungefähr habe ich mir das vorgestellt«, sagte sie selbstgefällig und herablassend zugleich.
»Was soll das heißen?«, fragte ich ärgerlich.
»Ich hab doch gesehen, wie es zwischen euch beiden gefunkt hat.«
Ich war schon auf dem Weg zur Tür. Nun blieb ich stehen. »Wovon redest du? Ich war einfach sauer auf euch beide als Stalker und Komplizin. Im Ernst, Kyla, ich kann einfach nicht glauben, dass du immer ins Netz stellst, wo du dich gerade aufhältst.«
»Ich habe den Zugriff verändert, so dass nur Freunde es sehen können. Jetzt
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