Spiel Satz Tod - Kriminalroman
verraten, dass Sie ihn nur eingeladen haben, damit er Sie in der Rolle des Christian sieht. Oder dass der einzige Grund für das Datum der Premiere in dieser Woche die Anwesenheit dieser Filmcrew ist. Aber ich verrate es ihm noch, wenn Sie mich jetzt nicht in Ruhe lassen, verdammt noch mal!«
Das war eine Lüge. Ich würde Michael Dupré kaum wiedersehen und schon gar nicht mit ihm über Roland Wilding reden. Doch das wusste er nicht. Er klappte den Mund zu und war auch schon verschwunden.
Ich schaute ihm hinterher, und Ekel stieg in mir auf. Ich konnte es gar nicht erwarten, Laura zu erzählen, dass ich den Grund für die bombastische Ausstattung, den rücksichtslosen Probenplan und die Besetzung der Rollen herausgefunden hatte. All das lief darauf hinaus, Roland Wilding die Chance zu geben, dass Regisseur Michael Dupré ihn in einer Rolle sehen konnte. Was für ein Betrug.
Als ich zu meinem Klassenzimmer zurückging, um ein Quiz vorzubereiten, das ich am nächsten Tag mit meinen Schülern machen wollte, fiel mir auf, dass die Tür zu Trainer Freds Klassenraum ein wenig offen stand. Sicher hatte wieder ein unerfahrener Ersatzlehrer nach der letzten Stunde nicht schnell genug nach Hause kommen können und die Tür nicht abgeschlossen. Man brauchte ein bisschen Kraft, um sie wirklich zuzubekommen. Fred hatte sie immer laut zugeknallt. Das war das Zeichen für mich gewesen, auch allmählich an den Feierabend zu denken. Ich ging über den Flur, um die Tür zu schließen. Dabei dachte ich an den armen Fred und daran, wie viel sich in so kurzer Zeit verändert hatte.
Als ich die Hand an die Klinke legte, hörte ich ein Geräusch und lauschte. Drinnen raschelte jemand mit Papier, Schubladen wurden eilig aufgezogen und wieder geschlossen. Das konnte natürlich die Vertretung sein, aber so lange nach Unterrichtsschluss war das unwahrscheinlich. Ich öffnete die Tür ein wenig und lugte hinein.
Da saß Pat Carver auf Freds Stuhl und kramte in seinem Schreibtisch herum. Ich richtete mich auf und trat ins Zimmer. Aber Pat war so in ihre Beschäftigung vertieft, dass sie mich nicht bemerkte. Ich sah, wie sie die Hängeregistratur herauszog und in den Mappen wühlte, wobei sie leise vor sich hin murmelte. Ich räusperte mich.
Die Wirkung war unüberschaubar. Pat fuhr hoch, schob mit einem Ruck die Registratur zu und klemmte sich dabei die Finger ein. Sie lief puterrot an, schaute mir aber herausfordernd ins Gesicht.
»Hi, Pat«, sagte ich. »Suchen Sie etwas?«
Ihre blassen Augen blickten umher, als sei irgendwo im Klassenzimmer eine vernünftige Antwort zu finden. Dann erhob sie sich, schob dabei den Stuhl polternd zurück und baute sich in ihrer ganzen eindrucksvollen Größe vor mir auf. Sie überragte mich beträchtlich und war mindestens fünfzig Pfund schwerer als ich. Unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück.
»Ich habe die Quittungen für die neuen Wasserspender gesucht, die Trainer Argus für die Tennismannschaft gekauft hat.«
Das wunderte mich. »Die Mannschaft hat gar keine neuenWasserspender. Die wir benutzen, sind älter als die meisten Schüler.«
Das brachte sie einen Augenblick aus der Fassung, aber sie ließ sich nicht beirren.
»Ach so. Er hat aber einen Antrag gestellt, den ich genehmigt habe. Ich bin davon ausgegangen, dass er sie sofort gekauft hat. Auf jeden Fall hat die Mannschaft die Genehmigung für zwei neue Wasserspender. Wenn Sie sie also kaufen wollen, brauchen Sie mir nur danach die Quittungen zu geben.«
»Okay«, sagte ich. »Und sonst haben Sie nichts weiter gesucht?«
»Was meinen Sie damit?«, erwiderte sie scharf.
Diese Frage konnte ich ihr natürlich nicht beantworten. Sie wartete einen Moment, und als ich nichts sagte, schob sie mich beiseite und stapfte davon.
Ich schaute ihr nach. Meine Frage hatte wohl ins Schwarze getroffen. Was mochte sie wohl gesucht haben? Was übersah ich in dieser Folge verwirrender und anscheinend völlig zufälliger Ereignisse, die seit Freds Tod geschehen waren? Soeben hatte ich Pat Carver, die Buchhalterin der Schule, die noch nie auch nur in der Nähe eines Klassenzimmers aufgetaucht war, überrascht, wie sie in Freds Schreibtisch etwas suchte. Aber was? Doch nicht die Quittungen für Wasserspender, die keiner gekauft hatte. Vor allem nicht, da sie so lange gebraucht hatte, bis ihr diese Lüge einfiel. Aber wenn keine Quittungen, was dann? Ich ließ mich auf Freds Stuhl sinken, um nachzudenken.
Pat Carver. So unwahrscheinlich das schien
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