Spiel Satz Tod - Kriminalroman
erwartet, so dass wir beide nach hinten fielen und auf den nassen Fliesen ein Stück durch das Wasser rutschten, ihr nasser, kalter Körper über mir. In Panik wand ich mich unter ihr hervor und stieß mir dabei den Kopf schmerzhaft an einem Waschbecken. Als ich endlich wieder kniete, befreite ich ihr Gesicht von dem langen, klatschnassen Haar.
Es war Laura. Und sie war es auch wieder nicht. Ihr erbarmungswürdiges Gesicht war rötlich-blau angelaufen, die Augen standen offen und starrten blicklos vor sich hin, während aus ihrem geöffneten Mund Wasser lief. Ich sah ihre Kleider, ihr schönes langes Haar, aber Laura gab es nicht mehr. Sie war tot. Und das schon eine ganze Weile. Fern jeder Chance auf Wiederbelebung, weit weg von jeglicher Hilfe. Laura Esperanza. Meine Freundin. Das Toilettenbecken, von Lauras Haarflut befreit, lief nicht mehr über, und bald breitete sich Stille im Raum aus, die nur durch meine heftigen Atemzüge und sanftes Tropfen gestört wurde. Lange blieb ich neben ihr bewegungslos sitzen, dann stand ich mühsam auf und suchte in meiner Tasche nach dem Handy.
Zuerst wählte ich 911. Ich sprach ruhig und vernünftig, aber die Verbindung musste schlecht sein, denn die Diensthabende bat mich mehrfach, langsamer zu sprechen, sie verstehe mich sonst nicht. Das dumme Weib. Schließlich konnte ich ihr doch begreiflich machen, dass jemand zur Bonham Highschool kommen müsse. Ungeachtet ihrer Proteste legte ich auf und wählte Colins Nummer.
Auch er begriff nicht viel von dem, was ich da erzählte, aber das spielte keine Rolle.
»Bin schon unterwegs!«, sagte er nur und war wohl sofortlosgefahren, denn er traf zusammen mit dem Rettungswagen ein. Noch nie im Leben war ich so froh, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Ich stürzte auf ihn zu und packte seinen Arm.
»Da drin! Da drin ist sie!«, rief ich und zeigte auf die Mädchentoilette.
Er tätschelte beruhigend meine Hand. Die Sanitäter liefen an uns vorbei in den Raum, kamen aber Sekunden später wieder heraus.
»Hier gibt es für uns nichts zu tun«, sagte der Größere. Ihm war wohl ein wenig übel dabei.
Colin schaute mich an und sah, dass ich mit den Zähnen klapperte. Er winkte die Sanitäter herbei.
»Die Frau braucht Hilfe«, sagte er. »Sie hat einen Schock. Können Sie bei ihr bleiben?«
Er löste meine Hand von seinem Arm und verschwand hinter der Toilettentür. Ich starrte darauf, bis mir einer der Sanitäter eine rote Decke um die Schultern legte und ein zweiter mir mit einer Taschenlampe in die Augen leuchtete. Ich zuckte zusammen.
Jetzt trat Colin wieder heraus und blickte verstört drein. Er ging an mir vorbei und sprach dabei in sein Funkgerät. Schon erschienen Streifenpolizisten, denen er mit Gesten Anweisungen gab. Einer stellte sich draußen vor die Tür und verwehrte Ankommenden den Eintritt, während die anderen im Hause ausschwärmten, Gänge entlangliefen und Türen kontrollierten. Colin kam mit einem Plastikstuhl, den er aus einem der Zimmer geholt hatte.
Er stellte ihn hinter einer Ecke ab, von wo die große Wasserlache und die Toilette nicht zu sehen waren. Dann legte er seinen Arm um meine Schultern, führte mich dorthin und setzte mich sachte auf den Stuhl. Ich zitterte inzwischen heftig, meine Zähne klapperten laut, und meine Finger, mit denen ich die Decke zusammenhielt, waren blaugefroren. Einer der Sanitäter löste sie behutsam und machte sich daran, meinen Blutdruck zu messen. Ich konnte den Blick nicht von Colin wenden. Aus unerfindlichem Grund war er das Einzige, was ich klar und deutlich sah. Alles Übrige verschwamm im Nebel. Ein zweiter Sanitäter lief mit einer Sauerstoffmaske herbei und versuchte sie mir übers Gesicht zu stülpen. Finster stieß ich ihn zurück.
»Das ist nur Sauerstoff, Ma’am. Wir möchten, dass Sie die Maske ein paar Minuten aufbehalten.«
»Nein«, sagte ich. Ich war sicher, dafür hatte ich gute Gründe, aber mir fehlten die Worte.
»Aber, Ma’am«, wollte er protestieren.
Colin sagte etwas zu ihm, das ich nicht hören konnte, und nahm die Maske selbst in die Hand.
»Jocelyn«, sagte er sanft und hockte sich neben meinen Stuhl.
»Ja?«, antwortete ich mit schwacher Stimme.
»Du hast einen ziemlich schlimmen Schock erlitten. Wir möchten, dass du etwas Sauerstoff einatmest, damit dein Kopf wieder klar wird. Meinst du, dass du durch dieses Ding atmen kannst? Nur ein, zwei Minuten.«
Sein Gesicht war meinem ganz nah. Aber er schien aus weiter Ferne zu mir zu sprechen.
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