Spiel Satz Tod - Kriminalroman
Schläfe. Ich musste aussehen wie ein Waschbär, der auf blanken Dachziegeln eine schlechte Nacht verbracht hat. Am meisten bekümmerte mich, dass meine Schüler denken mussten, ich hätte einen Kater, was sehr unfair gewesen wäre. Wenn man sich so schlecht fühlt, wie man aussieht, dann sollte man zumindest vorher etwas Schöneres und Aufregenderes erlebt haben, als allein im Haus herumzuhocken. Ich überlegte kurz, ob ich mich nicht krankmelden sollte, aber ich hatte zu viel zu tun. Schon letzten Abend hatte ich keine einzige Arbeit korrigiert, und ein weiterer Ausfalltag würde mich weiter zurückwerfen.
So traf ich an diesem Morgen noch früher als gewöhnlich in der Schule ein. Ich parkte meinen Wagen bei den Tennisplätzen und nahm wie stets die Abkürzung durch Haus A, um über den Hof rasch zum Unterrichtsgebäude zu kommen. Auf halbem Weg durch das dämmrige Foyer zwischen Theatersaal und Turnhalle trat ich in etwas Nasses undrutschte aus. Nur mit wilden, heftigen Armbewegungen gelang es mir, mich auf den Beinen zu halten.
Was war das denn?, dachte ich erschrocken und empört zugleich. Welcher Idiot hatte hier Wasser verschüttet, ohne es wieder aufzuwischen? Die Neonleuchten an der Decke waren noch nicht eingeschaltet, und die einzige Beleuchtung kam von dem schwachen Morgenlicht, das durch die schmalen Fenster über und neben der großen zweiflügligen Tür hereinfiel. Als meine Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, sah ich, dass die Nässe nicht von einem umgekippten Becher oder einer fallengelassenen Sodawasserdose kam. Eine flache Wasserlache hatte sich bereits über große Teile des Foyers ausgebreitet und schien immer noch zu wachsen. Als ich mich langsam und sachte vorantastete, konnte ich sehen, dass das Wasser aus der Mädchentoilette floss.
Ich stöhnte auf. Wieder eine Schülertoilette! Einmal monatlich lief bestimmt ein Toilettenbecken über. Manchmal war Unvernunft die Ursache (man versuchte etwas eindeutig zu Großes hinunterzuspülen), manchmal böse Absicht (jemand warf einen Feuerwerkskörper in ein Toilettenbecken). Die Hausmeister konnten stundenlang davon erzählen, was sie regelmäßig aus Schülertoiletten herausholten.
Ich schaute mich um und überlegte, was zu tun war. Ich hätte einen der Hausmeister suchen müssen, aber die waren bestimmt noch nicht da. Schon wollte ich so tun, als hätte ich nichts bemerkt und mich rasch zu meinem Klassenraum davonmachen. O mein Gott, würde ich dann sagen, ich muss dort vorbeigegangen sein, ohne etwas zu merken. Aber der Nächste, der kam, konnte stürzen und sich ernsthaft verletzen. Ich muss also etwas tun, dachte ich widerwillig. Das bedeutete, ich musste in den Toilettenraum waten und versuchen, das Wasser irgendwie zum Stehen zu bringen, bevor der See im Foyer noch größer wurde.
Vorsichtig bewegte ich mich also weiter, bemüht, meine Sachen nicht zu bespritzen, und drückte die Toilettentür auf. Drinnen flackerten die Neonleuchten auf. Jetzt hörte ich eindeutig Wasser laufen. Ich platzierte meine Tasche in relativer Sicherheit auf einem Waschbecken und watete weiter. Ich musste jede Kabine kontrollieren, wenn ich die Quelle finden wollte.
Ohne zu wissen, weshalb, zögerte ich an der letzten Tür, als wollte ich nicht sehen, was sich dahinter verbarg. Dann gab ich mir einen Ruck und öffnete sie. Entsetzt schrie ich auf.
Jemand kniete vor dem Toilettenbecken. Ich fuhr zurück und machte vor Schreck die Tür wieder zu, weil mir in den Sinn kam, diejenige könnte sich gerade übergeben und ich störte nur. Dann aber dämmerte mir, dass das nicht sein konnte. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Vorsichtig öffnete ich die Tür erneut, diesmal etwas weiter. Die Frauengestalt hatte den Kopf tief in das Becken gesenkt, das lange Haar, völlig durchnässt, lag halb im Becken und halb über ihrem Rücken ausgebreitet. Die Arme hingen ihr schlaff von den Schultern, an ihnen lief Wasser herab. Ihre Füße steckten in Sandaletten mit hohen Absätzen und dicken Plateausohlen.
Als ich diese Schuhe sah, schien alles um mich her zu verschwimmen. Ich war starr vor Entsetzen, und es verschlug mir den Atem. Ich glaubte sogar, mein Herz stehe für einen Moment still. Ich öffnete den Mund und wollte schreien, aber kein Laut kam über meine Lippen. Denn wer sonst trug solche Schuhe außer Laura?
Ich holte tief Luft und beugte mich mit übermenschlicherAnstrengung nach vorn, um die Gestalt aus der Toilette zu ziehen. Sie war leichter als
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