Spiel - Sprache des Herzens
experimentierte im Garten mit ihrer Tragfähigkeit. Die spannende Frage war, reiÃt das Netz oder reiÃt es nicht, wenn ich ein, zwei, drei Steinchen, eine Nuss, einen Tannenzapfen oder ein Schneckenhäuschen hineinlegte?
Genauso prägte sich mir das Glücksgefühl ein, das mich durchrieselte, wenn ich neben der strickenden GroÃmutter in der Stube am Tisch versuchte, Postkartenschachteln zu falten. Wir teilten beide die Spannung: Kommt das Bild vorteilhaft zur Geltung auf dem Schachteldeckel oder nicht?
Origami, Fröbel und Falten heute
Die hohe Kunst des Papierfaltens heiÃt Origami. Sie stammt aus Japan und ist ein Bestandteil der japanischen Kultur. Sie hat faszinierende Faltformen hervorgebracht, das fliegende Vögelchen etwa, die japanische Dame oder den betenden Mönch. Diese alte japanische Papierfalttradition ist kompliziert und für Anfänger hier bei uns zu schwierig.
Unabhängig von Asien hat sich auch in Europa eine einfachere, eigenständige Tradition entwickelt. Einer der ersten Entdecker des Papierfaltens bei uns war Friedrich Fröbel, der »Erfinder« des Kindergartens. Er hatte um 1840 erkannt, dass Papierfalten bei Kindern die Koordination von Auge und Hand sowie das Gefühl für Geometrie und Genauigkeit fördert.
In Falten und Spielen: Intelligent durch geschickte Finger habe ich Faltformen zusammengetragen, die unseren
Kindern entsprechen. Ich habe sie unter dem Aspekt ausgewählt: Was können Kinder hier bei uns zwischen vier und acht falten? Der Grundstock zu dieser Faltsammlung stammt aus meiner Kindheit und der Ausbildungszeit am Kindergarten-Seminar Marzili, Bern. Im Laufe der Jahre sind immer mehr Faltformen dazugekommen.
Was löst das Weitergeben von Faltformen aus?
Alle Faltformen müssen dem Kind von Erwachsenen gezeigt werden, bevor es sie selbstständig nachahmen kann. Das klingt höchst selbstverständlich, beinhaltet jedoch einen psychologisch wichtigen Ablauf. Zeigen, erklären, das bedeutet so viel wie Zuwendung: »lch nehme mir Zeit für dich. Ich vermittle dir etwas und teile mich dir mit.« Das Kind, der Empfänger dieser unausgesprochenen Botschaft, fühlt sich angenommen in diesem Kreislauf von Liebe und Zuwendung. Sein Selbstwertgefühl wird dadurch gestützt. Und wenn das Kind die Faltform begriffen hat, erlebt es stolz: »Können macht stark!«
Intelligent durch geschickte Finger
Zwischen vier und neun Jahren ist das goldene Zeitalter des Faltens! Papierfalten ist weit mehr als »nur« Basteln. Es bietet Anregungen zu unzähligen Stunden von fröhlichem Kinderspiel. Für die Faltkünstler ist nicht das Faltprodukt, sondern der Spielanstoà das Wichtigste. Hüte verzaubern sie in Wikinger oder Krankenschwestern, Badewannen werden zum Weltmeer, wenn ganze Flotten von Papierschiffen darauf schwimmen.
Papierfalten wirkt wie ein natürliches Frühförderprogramm, das genau dem altersgemäÃen Bedürfnis der Kinder entspricht. Der Augen-Hand-Kontakt und die Feinmotorik der rechten und der linken Hand regen beide Hirnhälften an. Papierfalten begünstigt bei Vor- und Grundschulkindern die Entwicklung von Freude am eigenen Tun, Geduld, Ausdauer, exaktem Arbeiten und den Schlüsselkompetenzen, die in Bereichen wie Mathematik, Geometrie, Sprache, Gestalten, Naturwissenschaft und Technik gebraucht werden. Was heiÃt das konkret?
Â
Mathematische Kompetenz: Kinder können Mathematik nicht abstrakt oder im luftleeren Raum erlernen. Die bewusste Auseinandersetzung mit Materialien und das Gespräch mit Erwachsenen ist eine wichtige Vorbereitung. Genauso verhält es sich beim Falten. Ein Kind kann von sich aus nie die Faltform eines Segelschiffchens erfinden. Das Kind braucht dazu einen Erwachsenen, der ihm die Faltform zeigt. Beim Erfassen einer Faltform geht es darum, das Prinzip zu verstehen, sich den Ablauf zu merken, um dann den Faltprozess Schritt für Schritt exakt wiederzugeben. Das braucht Zeit, Ãbung und Ausdauer.
Falten fördert eindeutig das mathematische Denken und das Erkennen von geometrischen Formen, Mustern, Zahlen und Mengen. Falten unterstützt das Verständnis von RegelmäÃigkeiten und die dreidimensionale, räumliche Wahrnehmung. Wer die konkrete Umsetzung erlebt, kann später abstrakte Rechenvorgänge viel leichter nachvollziehen. Ein Stück Papier in die Hälfte falten heiÃt zum Beispiel, etwas durch
Weitere Kostenlose Bücher