Spiel um Macht und Liebe (German Edition)
getroffen und bereitete ihm Gewissensbisse. Doch obwohl er das spürte, wusste er gleichzeitig, dass er seine Reaktion darauf nicht kontrollieren oder verbergen konnte.
„Schon gut, schon gut“, hörte er Christie sachlich sagen. „Natürlich kannst du bei mir wohnen, Saul. Ehrlich gesagt“, fügte sie nachdenklich hinzu, „vielleicht bist du die Antwort auf meine Gebete. Ich muss Ende nächster Woche zu einer Konferenz. Cathy sollte eigentlich zu einer Schulfreundin, aber die ganze Familie liegt mit Mumps im Bett, und da kann ich ihnen nicht noch Cathy aufhalsen.“
Sie schwieg einen Moment. „Besteht die Möglichkeit, dass du deinen Besuch bis zum Ende der Konferenz ausdehnst?“
„Ich wüsste nicht, was dagegen spricht“, erklärte Saul. Er hatte nur ein paar Tage in Cheshire verbringen wollen, aber es gab keinen Grund, weswegen er nicht ein bisschen länger bleiben sollte. Der Gedanke, etwas Abstand zu Sir Alex zu gewinnen, hatte etwas Anziehendes.
Sir Alex versuchte, ihn zu beeinflussen und mit Drohungen in die Knie zu zwingen. „Besorgen Sie mir, was ich haben will“, hatte er ihm zwischen den Zeilen zu verstehen gegeben. Und dabei war ihm der Schaden, den er dem angepeilten Unternehmen zufügen wollte, vollkommen gleichgültig.
Und dir selbst? fragte Saul sich nach dem Gespräch mit seiner Schwester. War ihm die Firma nicht genauso egal? Schließlich hatte er sich bisher auch so rücksichtslos verhalten.
Dann allerdings hatte Sir Alex das Familienunternehmen von Dan Harper übernehmen und ausbeuten wollen. Und Saul war nicht mehr alles egal gewesen.
Verwirrt ging er von seinem Schreibtisch zum Kamin hinüber. Er hatte dieses Apartment nach dem Scheitern seiner Ehe gekauft. Damals war dieses Viertel von London noch nicht in Mode gewesen. Das alte Haus aus der Zeit von King George besaß vier Stockwerke, und Sauls Apartment nahm die gesamte zweite Etage ein. Für einen alleinstehenden Mann war es zu groß, aber damals hatte er noch an die Kinder gedacht. Die Wohnung hatte drei großzügige Schlafzimmer mit eigenen Bädern.
Er verzog das Gesicht. Die Male, die Josey und Tom hier mit ihm einen längeren Zeitraum als eine Übernachtung verbracht hatten, konnte er leicht an beiden Händen abzählen. Besonders in letzter Zeit besuchten sie ihn nur noch sehr selten. Vor allem Josey zeigte ihm gegenüber immer mehr Ablehnung.
Neben seinem Bett stand ein Foto von ihnen neben dem Bild seines Vaters.
Sein Vater. Wie kam es bloß, dass er beim Gedanken an seinen Vater in letzter Zeit außer der Liebe, die er immer für ihn empfunden hatte, auch eine Art Angst verspürte? Ihm war fast, als würden ihm die Träume und Ziele seines Vaters entgleiten.
Es waren die Wunschvorstellungen seines Vaters für Sauls Zukunft gewesen. War das etwa der Knackpunkt seiner Probleme, seiner Zweifel und Ängste? Sein ganzes Leben schien sich zu einem Tunnel zu verengen, der ihm wie eine Falle vorkam. Er hatte den Eindruck, wenn er diesen Tunnel weiter entlangging, würde er gegen seine eigenen Gefühle und Wünsche arbeiten. Gab es deswegen so viel Feindseligkeit zwischen ihm und Sir Alex? Fing er nicht an, auf eine Stimme tief in sich zu hören, die ihn fragte, was er eigentlich im Leben erreichen wolle? Diese Stimme stellte gnadenlos die Ziele, die er verfolgte, immer mehr infrage.
Seine Gedanken kehrten ständig zu diesem einen Punkt zurück. Es fiel ihm immer schwerer,gegen sich selbst anzukämpfen, um die stillschweigenden Versprechungen, die er seinem Vater gegeben hatte, zu erfüllen.
So weit er zurückdenken konnte, hatte Saul es immer als seine Pflicht als Sohn empfunden, Erfolg zu haben und es im Leben zu etwas zu bringen.
Seine frühesten Erinnerungen an Unterhaltungen mit seinem Vater waren schmerzliche Gefühle, wenn sein Vater ihm gegenüber bedauert hatte, seine eigenen Möglichkeiten nicht genutzt zu haben. Er hatte seinem Sohn erzählt, wie schwer es war, eine Familie mit seinem bescheidenen Gehalt durchzubringen, und ihm geraten, es besser zu machen und zu erkennen, wie wichtig der Erfolg war.
Saul hatte diese Unterhaltungen gehasst. Danach hatte er sich innerlich verwundet und verängstigt gefühlt. Er liebte seinen Vater und war stolz auf ihn. Es machte ihn wütend, dass sein Vater nicht auf sich selbst stolz war und sich wie ein Versager vorkam.
Noch dazu konnte Saul keinen Grund erkennen, weswegen sein Vater sich so gefühlt hatte. Von seiner Familie und besonders von Saul wurde er geliebt, und
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